Das Geheimnis der Perle
gibt es auch noch Männer, die die Zäune abreiten. Vielleicht gibt dein Grandpa dir einen Job.“
Matthew wusste, dass sie ihn nur aufziehen wollte. Aber trotzdem fragte er sich, was sein Großvater sagen würde, wenn er ihn darum bat, hier leben zu dürfen. Obwohl er es eigentlich nicht wollte. Seine Mutter würde ihn nie besuchen, und sein Vater war schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen. Doch obwohl ihm dieses Gebiet fremd war und er seinen Großvater nicht kannte, war Jimiramira etwas ganz Besonderes für ihn.
Sie verfielen in Schweigen. Ihm tat alles weh, er hatte Hunger und noch viel größeren Durst, als dass das noch verbliebene Wasser ihn stillen könnte. Aber all das schien unbedeutend im Vergleich zu der Frage, die ihn am meisten beschäftigte.
„Mein Grandpa wird uns vielleicht nicht erlauben, zu bleiben“, sagte er schließlich. „Er und mein Dad gehen schon lange getrennte Wege. Vielleicht weiß er nicht mal, dass es mich gibt.“
„Eine glückliche kleine Familie, wie?“
Sie stiegen einen Hügel hinauf. Matthew hoffte, dass er von oben das Wohnhaus sehen könnte. Stattdessen lag wieder nur weites Land vor ihm.
„Und was machst du, wenn du nicht bleiben darfst?“
Matthew hatte darüber nicht nachdenken wollen. Denn es hatte ihn zu viel gekostet, hierherzukommen. „Ach, ich ziehe einfach weiter. Ich muss auch noch woanders hin.“
„Wohin denn?“
„Westaustralien.“
„Und was willst du da?“
„Einfach nur hin, das ist alles.“
„Aber da gehe ich nicht mehr mit.“
„Zumindest weiß ich, wohin ich will. Du nicht.“
„Aber ich weiß was, was du nicht weißt.“
„Und das wäre?“
„Da kommt jemand.“
Matthew spähte den Hügel hinunter auf die Straße. Zuerst sah er nichts, dann sah er Staubwolken am Horizont. Seine Kehle war wie zugeschnürt, sodass er kein Wort herausbrachte.
„Der Typ wird in ein paar Minuten hier sein“, meinte Tricia und reichte Matthew die Flasche. „Trink aus! Du brauchst jetzt all deine Kraft.“
Das Wohnhaus sah ganz und gar nicht so aus, wie er es sich vorgestellt hatte. Matthew hatte sich Jimiramira etwa so vorgestellt wie in Tante Meis Erzählungen; vielleicht ein bisschen modernisiert. Sein Vater hatte fast nie über das Haus seiner Kindertage gesprochen, so als wollte er nicht mehr an das denken, was er verloren hatte.
Jetzt verstand Matthew zum ersten Mal, warum. Cullen hatte nicht nur ein Haus und einen Vater verloren, sondern ein ganzes Dorf. Einen Lebensstil. Eine Identität.
„Der Boss wartet im Haus.“ Der dunkelhäutige Mann namens Luke stieg aus dem Geländewagen und schlug die Tür hinter sich zu. Auch Matthew stieg aus und bedeutete Tricia, ihm zu folgen.
Sie stieg aus. „Nettes Plätzchen, wie?“
Matthew sah das genauso. Das Haupthaus, in dem sein Großvater wartete, war strahlend weiß und beschattet von riesigen alten Gummibäumen. Eine breite Veranda mit dunkelrotem Holzboden säumte das Haus, überdeckt von einem ausladenden Metalldach. Büsche und Blumenbeete säumten die Veranda. Der prächtige grüne Rasen war von einem Metallzaun umgeben, mit einem reich verzierten Tor.
„Als das Haus abgebrannt ist, haben sie wohl entschieden, etwas Besseres hinzustellen“, sprach er aus, was ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss.
„Wann ist es denn abgebrannt?“, fragte Tricia.
Er dachte an Mei, deren Alter er nicht einmal bestimmen konnte. „Ich weiß nicht. Muss schon sehr lange her sein.“
„Hat dein Vater hier gelebt?“ „Er spricht nicht viel darüber.“
„Oje.“
Er räusperte sich. Luke war inzwischen verschwunden, doch andere Menschen rückten in sein Blickfeld. Das Haupthaus war nur eines von vielen weißen Gebäuden. Jenseits des Hauses lag ein weitläufiger Pferdestall mit eingezäunten Koppeln. Matthew sah Männer auf Pferderücken und einen ganzen Fuhrpark. Weit hinten war ein Landeplatz, auf dem ein kleines Flugzeug und ein Helikopter standen. Matthew vermutete, dass Jimiramira größer sein musste als so mancher Staat in New England.
„Wir sollten reingehen.“ Matthew strich über seine Kleider,obwohl er an seinem T-Shirt und der Jeans nicht viel verbessern konnte. Er war sich mit einem Kamm durch die Haare gefahren, hatte jedoch nicht die Zähne geputzt. Bald würde er vor seinem Großvater stehen. Und er sah aus wie ein Herumtreiber, nicht wie jemand, der einen genauen Plan verfolgte.
„Ich glaube, ich warte auf der Veranda“, meinte Tricia.
Matthew öffnete das Tor,
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