Das Geheimnis der Perle
deine eigene Mutter. Du bist eine Schande.“
„Vielleicht. Aber vielleicht habe ich auch nur genug von Erwachsenen, die entscheiden, was das Beste für mich ist, ohne zu fragen, was ich davon halte. Ich habe eine Familie, aber meinen Dad sehe ich kaum. Und Sie habe ich noch nie gesehen. Ich bin in Australien geboren. Ich will wissen, wer ich bin und woher ich komme. Und …“ Er hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück, da er das, was beinahe aus ihm herausgeplatzt wäre, noch nicht verraten wollte.
„Du wirst jetzt sofort deine Mutter anrufen. Und dann schicke ich dich postwendend zurück. Mit Begleitung, falls notwendig.“
„Das können Sie machen.“ Matthew sah seinem Großvater gerade in die Augen. „Aber Sie könnten mir auch erlauben, einen Tag zu bleiben. Was ist schon ein Tag, Sir? Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, Sie kennenzulernen. Ich ruf an und hinterlasse meiner Mutter eine Nachricht, dass es mir gut geht. Ich wollte sie nicht beunruhigen. Aber ich bin aus einem bestimmten Grund hier, und wenn Sie mich wegschicken, werde ich nie die Gelegenheit haben, Ihnen zu sagen, um was es geht.“
„Du bist genau wie dein Vater, was? Du glaubst, dass du mit Worten jeden um den Finger wickeln kannst.“
Matthew wurde nicht schnell wütend, aber nun spürte er, dass es in ihm kochte. „Ich hoffe, dass ich so bin wie er. Er ist der beste Mann auf der ganzen Welt. Aber das wissen Sie ja nicht, weil Sie nicht mehr mit ihm reden.“
Entrüstet fuhr Romans Hand durch die Luft. „ Du weißt nicht, wovon du redest.“
Matthew trat näher, während sein Zorn hochflammte. „Oh doch, das tue ich! Ich weiß alles. Ich weiß, dass mein Vater ein Problem hatte, mit dem Spielen. Ich weiß, dass er schwerwiegende Fehler gemacht hat. Ich kann nur hoffen,dass ich nach ihm gerate, wenn ich erwachsen bin, und nicht nach Ihnen, Sir. Denn ich werde sicher viele Fehler machen. Und ich will, dass sie mir genauso leidtun wie ihm und dass ich genauso hart daran arbeite, sie wieder auszubügeln.“
„Du hast schon einen großen Fehler gemacht, indem du hergekommen bist.“
„Nein, habe ich nicht. Weil ich herausfinden wollte, woher ich komme – und von wem ich abstamme. Jetzt weiß ich es.“
Auch Roman trat näher. Einen Moment überlegte Matthew, ob er ihn schlagen würde. Sie standen sich gegenüber wie Gegner bei einem Boxkampf. Schließlich schüttelte Roman den Kopf, wandte sich ab und ging davon. Am Ende der Eingangshalle drehte er sich wieder um.
„Komm rein. Und hol das Mädchen. Winnie wird euch was zu essen geben. Dann kannst du duschen. Und wenn du fertig bist, kommst du in mein Büro.“ Er machte Anstalten weiterzugehen.
Matthew erhob noch einmal das Wort, ehe sein Großvater verschwand. „Meine Eltern werden mich nach dieser Geschichte hier nie wieder weglassen, Sir. Vielleicht ist das jetzt für uns beide die einzige Chance.“
„Eine mehr, als ich wollte, Junge.“ Damit verschwand Roman und ließ Matthew allein.
27. KAPITEL
I n Romans Büro hing ein gerahmter Spiegel. Er benutzte ihn, um sich die Haare zu kämmen, bei den seltenen Gelegenheiten, wenn Besuch kam. Für fast alle Bereiche hatte er seine Leute auf Jimiramira, aber es gab Dinge, die ihm kein anderer abnehmen konnte.
Zum Beispiel, Matthew Llewellyns Grandpa zu sein.
Er starrte sein Spiegelbild an und sah das, was auch Matthew gesehen hatte. Verbitterung. Zynismus. Kühle Distanz.
Der Messingspiegel hatte seiner Frau gehört. Er hing nun schon beinahe dreißig Jahre an dieser Wand, seit sie gestorben war. Joan stammte aus Darwin. Sie hatte diese Stadt so sehr geliebt, dass sie ihr einziges Kind nach der Cullen Bucht benannt hatte, wo sie selbst als Kind Picknick gemacht hatte. Auch wenn sie sich nie über das harte Leben beschwert hatte, hatte sie hübsche Dinge zu schätzen gewusst. Und Roman hatte noch einige andere Dinge von ihr behalten, wie eine silberne Haarbürste oder gepresste Blumen.
Doch das, was ihr das Liebste gewesen war, hatte er nicht halten können: ihren Sohn. Nachdem der Krebs sie besiegt hatte, hatte Roman Cullen seinem Schicksal überlassen. Gefangen in seinem tiefen Schmerz, hatte er sich immer weiter in sich selbst zurückgezogen, bis er irgendwann in der Lage war, wieder langsam ins Leben zurückzukehren.
Das hatte er jetzt erkannt. Beinahe zwanzig Jahre war es nun her, seit er Cullen zum letzten Mal gesehen hatte. Es verging kein Tag, an dem er nicht an seinen Sohn dachte. Und an das Chaos,
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