Das Geheimnis der Perle
und sie ungesehen auf der Veranda sitzen und die frische Luft genießen konnte. Die Erinnerung an die überfüllten Gassen in Chinatown, die stickige Wäscherei ihres Vaters und das schmutzige Zimmer, in dem man ihren Körper hatte verkaufen wollen, verblasste mit jedem Tag mehr.
Jetzt dachte Willow nur noch an Tom und was sie tun könnte, um ihm eine Freude zu machen. Er kaufte ihr oft Geschenke, wenn er in der Stadt war. Einmal einen kleinen Handspiegel, ein anderes Mal eine bemalte Zinndose oder eine Jadekette, die sie in die Dose legen konnte. Im Gegenzug versuchte sie ihm das zu geben, was in ihren Möglichkeiten stand. Eine Hibiskusblüte neben seinem Teller. Eine Tasse mit seltenem Jasmintee, den sie vom Haushaltsgeld abgespart hatte.
Aber sie wusste, dass nichts, was sie ihm geben könnte, so wertvoll war wie ihre Liebe. Zu Anfang hatte er sie wie ein seltenes und sehr wertvolles Schmuckstück behandelt. Er war sanft und sehr besorgt um sie gewesen, als hätte er Angst, ihr wehzutun. Doch mit der Zeit hatte sie die Leidenschaft bemerkt, die unter der Oberfläche brodelte. Sie hatte ihm gezeigt, dass sie auch leidenschaftlich sein konnte, keine zarte Pflanze, die man nur bewundern und umsorgen darf.
Nie hätte sie geglaubt, eines Tages einen Mann zu treffen, dem sie ihr Innerstes offenbaren würde. Tom wollte alles von ihr wissen und ermutigte sie zum Reden. Er erinnerte sich an jede Einzelheit, sodass er das Leben nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Es brannten beispielsweise jedenAbend Kerzen auf dem Tisch, weil sie ihm erzählt hatte, dass sie Kerzen mochte. Oder er betrachtete mit ihr den aufgehenden Mond, weil sie diese Stimmung so sehr liebte.
An diesem Abend kam er viel später zurück, als sie erwartet hatte. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass Bobby Chinn sich schließlich doch an ihm gerächt hatte. Oder dass im Hotel ein Streit entflammt war und Tom verletzt sein könnte. Als er dann durch die Tür trat, aufrecht und stark, und die Arme ausbreitete, lief sie zu ihm wie ein verschrecktes Kind.
„Ich habe Angst gehabt.“ Sie schmiegte ihre Wange an seine Brust, während er sie an sich zog.
„Warum? Ist irgendetwas passiert?“
„Nein. Ich hatte Angst, dass du nicht zurückkommen würdest.“
„Das würde ich dir nie antun, Willow.“
„Aber vielleicht würde jemand anders uns das antun, Tom. Ein anderer könnte uns wehtun.“
„Niemals! Ich würde es nicht zulassen.“ Er legte seine Hand unter ihr Kinn und küsste sie. Sie schmeckte den scharfen Alkohol und wusste nun, warum er nicht früher zurückgekommen war.
„Du wirst nicht glauben, was heute Abend passiert ist, Willow! Ich kann es selbst noch nicht fassen.“
Er presste sie zu fest an sich, aber es war ihr egal. „Was denn?“
„Archer und ich haben unseren eigenen Logger. Die Odyssee , das Boot, auf dem wir in der letzten Saison gearbeitet haben. Archer hat es heute beim Kartenspiel gewonnen.“
Sie löste sich ein wenig von ihm, um ihn ansehen zu können. „Ein Mann hat sein Boot in einem Spiel verloren? Wie muss er sich jetzt fühlen?“
„Nun ja, nicht gut, natürlich. Aber er ist ein Mann, und ein ehrenwerter noch dazu. Er hat gespielt und verloren. Er hätte jederzeit aufhören können, aber er wollte nicht.“Willow runzelte die Stirn. „Spielen ist nichts Ehrenwertes.“
„Ich habe nicht das richtige Händchen dafür. Aber ich kann Archer wohl kaum verurteilen, wenn es für uns beide so viel bedeutet.“
„Bedeutet es wirklich so viel für uns?“
„Archer und ich, wir können zusammen ein Vermögen machen. Er will sofort die australische Staatsbürgerschaft beantragen, dann gibt es keine Probleme wegen der Lizenz. Er ist eigentlich kein Seemann; wenn er genug Geld zusammenhat, will er Land kaufen. Er will Rinder züchten und Söhne zeugen und wird endlich ein bisschen Glück finden. Ich bleibe hier bei dir, Willow. Wir beide werden eines Tages eine ganze Flotte Segelschiffe haben! Und wir werden unsere Söhne in Broome aufziehen und hier unser Glück finden.“ Er küsste sie auf die Haare, die Stirn und schließlich wieder auf den Mund.
Sie fragte sich, warum ihr so schwer ums Herz war, wenn er sich doch so sehr freute. Tom hatte ihr gerade ein Leben ausgemalt, von dem sie nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Doch wenn sie ihre Augen schloss, sah sie ihre Zukunft nicht in goldenem Licht erstrahlen. Sie sah nichts als Dunkelheit.
Archer konnte sich viele Möglichkeiten vorstellen, wie er
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