Das Geheimnis der Rosenkreuzerin
Dummköpfe vorstellen. Ich summe zum Beispiel weder Om, noch schlage ich dir vor, das innere Tier in dir zu finden. Warum sollte ein Tier in dir sein? Das ist nichts als Vulgärtotemismus für Esoteriktouristen!«
Wie schön er in seinem Zorn war, dachte sie.
»Es hört sich einfach an, erfordert aber viel Willenskraft und vor allem Konzentration. Du musst ganz leer werden, Platz für das Wesentliche schaffen, den Jahrmarkt der Gedanken schließen, die Worte, Begierden, Ängste, Eitelkeiten, alle Regungen deines Selbst verstummen lassen, dann kann das andere zu dir kommen. Unter dem Lärm der Welt, der sich als tosender Strudel von Gedanken und Gefühlen in dir ausdrückt, verbirgt sich das Wahre. Und unter den hektischen Aktivitäten hat dein Großvater tief in dir die wunderbare Passivität des Wissens versteckt. Bringe die Welt in dir zum Schwei gen, dann wirst du das Wesentliche hören.«
»Wie komme ich, um im Bild zu bleiben, an die Daten heran?«
»Da bin ich mir nicht ganz sicher.«
Sie runzelte die Stirn. »Du weißt doch sonst immer alles.«
»Was zu tun ist, liegt auf der Hand, das Problem ist nur, so verschieden jedes Selbst ist, so unterschiedlich sind auch die Wege dorthin. Wir müssen deinen Weg finden.«
»Und wie lange soll mein Egotrip dauern?«
»Wenn wir nicht gleich anfangen, auf alle Fälle um die Zeit länger, die wir jetzt mit Diskussionen und mit Zweifeln vergeuden.«
Sie fand seine Argumentation im Grunde schlüssig, nur traute sie diesem Weg einfach nicht. In all diesem esoterischen Geschwätz fand sich nicht ein einziger wissenschaftlich beweisbarer Fakt. Und auf diese Lyrismen sollte sie das Leben ihrer Kinder stellen? Bei diesem Gedanken wurde ihr angst und bange. Alfonso nahm ihre Hand. Sie spürte Wärme und Beruhigung.
»Es geht darum, eine bestimmte Position einzunehmen, und dich dann auf einen einzigen Punkt zu konzentrieren, um deinen Geist zur Ruhe zu bringen.«
»Mein Geist ist ruhig.«
»Nein, ist er nicht. Im Gegenteil, in deinem Kopf geht es zu wie in einem Bienenstock. Bei der Konzentration werden dir die Atemübungen helfen, die ich dir zeigen werde.«
»Was soll damit erreicht werden?«
»Du atmest wie alle Menschen hektisch, arhythmisch, unkontrolliert. Wir wollen versuchen, einen regelmäßigen Atemstrom hinzubekommen mit einer sehr langen Atemfrequenz.«
Sie warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Schau, Atmen besteht aus drei Phasen: Einatmen, den Atem in sich behalten und ausatmen. Es ist wichtig, langsam einzuatmen, den Atem lange und immer länger bei sich zu behalten und dann wieder langsam und kontrolliert auszuatmen. Jeder Atemzug muss zu einer Perle werden, die du wie auf einer Kette aneinanderreihst. Dadurch kommt dein Körper zur Ruhe, und du löst dich von der Hektik der Welt und kommst immer mehr zu deinem Selbst.«
»Das funktioniert?«
»Hast du noch nie etwas von Gurus gehört, die sich tagelang begraben lassen und währenddessen ihre Köperfunktion auf eine Art Standby-Modus herunterfahren können?«
Marta nickte. In der Tat hatte sie schon in mehreren Fachzeitschriften Artikel renommierter Wissenschaftler gelesen, die über erstaunliche Phänomene bei indischen Gurus und sibirischen Schamanen berichteten. Das ermutigte sie etwas, denn ihren Kollegen glaubte sie.
»Na, dann komm«, rief ihr Alfonso zu, ließ ihre Hand los und stand auf. Marta schlürfte noch schnell den Tee aus, als würde der Kräuteraufguss sie beruhigen. Im Grunde fürchtete sie sich vor der Welt des Psychischen, des Irrationalen, wie sie es empfand, in die sie eintauchen sollte, um ihre Kinder zu retten.
»Deine Sitzhaltung ist richtig, wenn die Anstrengung bei der Ausführung der Position nachlässt und jede Bewegung in deinem Körper endet. Das heißt, dass du weder deine Glieder spürst noch eine Ermüdung, ein Kribbeln oder einen Druck oder dass dir die Füße, Beine oder Arme einschlafen. Dann gelangt dein Geist ins Unendliche, ins Ungebundene. Mach einfach alles nach, was ich tue«, sagte er ruhig und leise.
Marta saß ihm auf dem Teppich in der Rotunde gegenüber und folgte seinen Anweisungen. Sie setzte den rechten Fuß auf die linke Wade, kreuzte die Arme auf dem Rücken und fasste mit der rechten Hand die linke und mit der linken Hand die rechte Ferse. Dabei hätte sie vor Schmerz fast aufgeschrien, weil ein Reißen durch ihren Körper ging. Es war ihr ein Rätsel, wie diese unbequeme Haltung zu Entspannung führen sollte. Ihn nachahmend, stützte sie das
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