Das Geheimnis der schönen Catherine
uns machen. Aber nein: Uns auf direkte Art helfen, das willst du nicht. Es macht dir nämlich viel zu viel Spaß, uns in der Hand zu halten.«
Hugo zog die Augenbrauen zusammen. Er musste zugeben, dass ein Körnchen Wahrheit in dieser Anschuldigung steckte. Nicht, dass er Macht über Thomas und Amelia ausüben wollte, aber ihre ständigen Betteleien gaben ihm irgendwie das Gefühl, doch zur Familie zu gehören.
Was für eine erbärmliche Vorstellung, dachte er. »Ehrlich gesagt, ich wäre froh, wenn ich dich und Thomas nie wiedersehen müsste. Ich würde mich ja gerne meiner Verantwortung für den Jungen entledigen, aber er ist mein einziger Verwandter, und ich habe natürlich eine Verpflichtung ihm gegenüber.«
»Und warum willst du dann nicht …«
»Meine Pflicht ist es, sicherzustellen, dass Thomas lernt, wie er aus diesem Teufelskreis von Kartenspiel und Schuldenmachen aussteigen kann, in dem alle unsere Vorfahren gefangen waren.«
»Wie kannst du es wagen, seine Vorfahren zu kritisieren! Immerhin waren sie von vornehmer Geburt.«
»Und eine vornehme Geburt zieht automatisch ein Leben voller Schulden nach sich, willst du mir das sagen? Dann danke ich Gott dafür, dass durch meine Adern auch gewöhnliches Blut fließt. Ich habe keine Lust, das schon wieder zu erörtern. Nein«, er sah sie ernst an, »das ist mein letztes Wort, Amelia: Du und Thomas, ihr müsst lernen, von eurem Einkommen zu leben, oder jemand anders finden, der eure Schulden begleicht.«
»Das werden wir auch, wenn du nur endlich nach Yorkshire verschwindest!« erwiderte Amelia heftig. »Du hättest wirklich zu keinem schlechteren Zeitpunkt nach London kommen können.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Thomas und ich haben die Lösung für all unsere Probleme gefunden.
Wenn du wieder weg bist, können wir zur Tat schreiten.«
»Eine Lösung?« fragte Hugo irritiert. Sie antwortete nicht, sondern gab vor, ein Ölgemälde zu studieren, auf dem eine arkadische Landschaft abgebildet war. »Antworte mir: Was für eine Lösung, Amelia?«
wiederholte er im Befehlston. Amelia warf den Kopf zurück und hob störrisch das Kinn. Ihr Schwager wartete und starrte sie schweigend an. Schließlich gab sie nach. »Thomas wird dasselbe tun wie dein Vater. Aber das Mädchen ist nur mäßig an ihm interessiert. Und deine Existenz, nun ja, wenn deine Herkunft bekannt wird, wird es vermutlich nie zur Verlobung kommen. Du weißt so gut wie ich, dass Titel und blaues Blut alles sind, was für sie zählt.«
Unbehaglich trat sie von einem Fuß auf den anderen. »Wer, bitte schön, legt Wert auf Titel und blaues Blut?« Hugo war für einen Augenblick irritiert. »Du willst doch nicht etwa andeuten, dass Thomas beschlossen hat, eine viel versprechende Erbin zu heiraten?«
»Doch, sicher. Eigentlich ist der Gute ja noch viel zu jung, um sich zu binden. Aber wenn du weiterhin darauf bestehst, uns so furchtbar kurz zu halten, wird er das Opfer wohl bringen müssen …« Hugo überlegte. Vielleicht ist ein Verlöbnis gar keine schlechte Idee, dachte er.
Mit der richtigen Frau an seiner Seite würde Thomas vielleicht lernen, seinen ruinösen Anwandlungen und den Einflüsterungen seiner Mutter zu widerstehen. Als sein Vormund und Onkel hätte Hugo beim Aufsetzen des Ehevertrags ein Wörtchen mitzureden. Er würde Sorge tragen, dass die Braut und alle Kinder vor den Folgen von Thomas’ Extravaganz geschützt wären. Ja – vielleicht ist eine Heirat tatsächlich die Lösung, überlegte er. Es hing natürlich alles von Thomas’ zukünftiger Frau ab. »Und? Wer ist die Auserwählte?« meinte er interessiert. Amelia, die offensichtlich erleichtert war, dass er die Neuigkeit so gut aufnahm, zögerte erst, dann gewann ihr Mitteilungsbedürfnis die Oberhand. »Es ist noch nichts beschlossen, und wenn du nicht unverzüglich zurück nach Yorkshire fährst … wenn du dich nicht in Schweigen hüllen kannst …« Sie beugte sich vor. Ihre zarte Haut glühte vor Aufregung, als sie flüsterte: « Es ist ein Geheimnis, musst du wissen. Sie ist die Tochter eines Nabobs. Sie hat eine Diamantenmine geerbt!«
»Welches Nabobs? Seit wann ist ein Nabob in der Stadt?«
»Schsch, es ist, wie gesagt, ein Geheimnis. Außerdem gibt es keinen Nabob …«
»Aber du sagtest doch …«
»Soviel ich weiß, ist er tot, was einfach himmlisch ist, denn diese Neureichen sind ja alle so schrecklich laut und unkultiviert, und der Makel, der Kaufleuten anhaftet …« Sie unterbrach sich.
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