Das Geheimnis der schönen Catherine
die beiden wohl redeten.
»Miss Singleton«, drang es schwärmerisch an Catherines Ohr, »ist er nicht göttlich schön?«
Catherine blinzelte. Unbestreitbar war er höchst attraktiv. Und er war sehr beeindruckend, sogar ein wenig einschüchternd. Aber göttlich schön? Nach den in London geltenden Maßstäben ganz sicher nicht. Sie wandte sich ihrer jungen Bekannten zu und sah, dass diese einen ganz anderen Mann ins Auge gefasst hatte, einen jungen Mann mit gestreifter Weste und zart rosafarbenen Pantalons. Er hatte die ganze Zeit neben dem bemerkenswerten Unbekannten gestanden. Noch bevor Catherine die junge Dame fragen konnte, wer der Fremde war, erschien Lord Norwood, um sie zum Tanz abzuholen. »Mr. Devenish! Das ist aber eine Überraschung!« zwitscherte Lady Parsons, die in einem rüschenübersäten zartgrünen Kleid auf ihn zugerauscht kam. »Ich war mir sicher, dass Sie meine Einladung wie immer ignorieren würden, Sie Schlimmer.«
»Ignorieren? Aber nicht doch, Lady Parsons.«
Hugo neigte sich über die Hand, die sie ihm entgegenstreckte. »Ich bin nur viel zu selten in der Stadt, meine Liebe.« Lady Parsons lachte und klopfte ihm spielerisch mit dem Fächer auf den Unterarm. »Ach wirklich? Und dann verbringen Sie Ihre kostbare Zeit im Kampf mit der Unterwelt? Wie tapfer, wie nobel von Ihnen. Ich hörte, Sie hatten es heute Nacht mit einem bis an die Zähne bewaffneten Unhold zu tun.« Hugo lächelte süffisant. »Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass man Gerüchten nicht allzu viel Glauben schenken darf. Es war nur ein kleiner, unbewaffneter Chinese.«
»Ein Chinese? Du liebe Güte! Das wusste ich ja gar nicht! Aber weshalb wollte ein Chinese bei den Penningtons einbrechen? Ich verstehe nicht …«
»In Asien sollen schwarze Perlen gut verkäuflich sein, habe ich gehört.«
»Nein – die schwarzen Perlen? Die arme Eliza wird am Boden zerstört sein. Und Ihr Gatte wird sicher toben.« Lady Parsons schüttelte verwundert den Kopf. »Das Erbstück der Penningtons … Die Perlen sind ein Vermögen wert, nehme ich an?« Hugo seufzte. »Ja. Unglücklicherweise gelang es mir nicht, sie zu retten.«
»Denken Sie lieber daran, wie viel schlimmer es gekommen wäre, wenn Sie den Einbrecher nicht gestört hätten!« Hugo zuckte mit den Schultern, sagte aber nichts. Er hatte schon Lord Pennington erklärt, dass er der Ansicht war, der Dieb habe seinen Raubzug schon beendet gehabt, bevor er selbst an Ort und Stelle eintraf. »Sie sind viel zu bescheiden, Hugo. Nun, ich freue mich sehr, dass Sie heute Abend hier sind – für den Fall, dass irgendwelches orientalisches Gesindel versucht, mich zu bestehlen, werden Sie mir bestimmt eine große Hilfe sein.« Lady Parsons kicherte mädchenhaft und gab ihm einen weiteren Klaps mit dem Fächer. Hugo tauschte noch ein paar belanglose Floskeln mit seiner Gastgeberin aus, verabschiedete sich dann und schlenderte durch die Menschenmenge auf eine Frau zu, die ihn seit seiner Ankunft angestarrt hatte. »Was hast du hier zu suchen?« zischte Lady Norwood, sobald er in Hörweite war, und schob ihn zu einem Nebenzimmer. Hugo musterte sie kühl.
»Du selbst hast mir doch in elf Eilbriefen erklärt, ich müsse dir sofort zu Hilfe eilen!«
»Ja, aber danach habe ich mindestens sechs Briefe geschrieben, in denen ich dich bat, auf keinen Fall nach London zu kommen.« Er lächelte. »Ja, deswegen bin ich dann ja auch gekommen.
Ich wollte dir heute Abend in Portland Place meine Aufwartung machen, aber es hieß, ihr wärt schon auf Lady Parsons Ball. Und da Lady Parson auch mich eingeladen hatte …« Lady Norwood stampfte mit dem Fuß auf. »Du bist unmöglich! Versprich mir, dass du gleich morgen nach Yorkshire zurückkehrst. Um ehrlich zu sein: Du wärst mir hier sehr im Weg.«
Ihrem Schwager schien ihre Grobheit nichts auszumachen. Er zuckte nonchalant mit den Schultern. »Du schriebst, du seist in arger Verlegenheit?«
»Oh! Nun ja … das hat sich erledigt.
Ich habe mir wegen Thomas Sorgen gemacht, weißt du.«
»Du hast dir wegen Thomas Sorgen gemacht?«
»Du brauchst mich gar nicht so ungläubig anzustarren.« Gekränkt zog sie einen Schmollmund. »Du weißt genau, dass ich eine sehr liebevolle Mutter bin – ach, die Sorgen, die man sich als Mutter macht …« Sie seufzte gefühlvoll. Hugo reagierte darauf keineswegs so, wie es zu erwarten wäre, stellte sie enttäuscht fest. Im Gegenteil: Er sah noch zynischer drein als vorher. »Ach, hast du mal wieder Probleme
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