Das Geheimnis der schönen Catherine
und Konventionen einzufinden, die sie für einige Zeit verlassen hatte. Als sie Mr. Devenish endlich mit schwacher Stimme für den Tanz danken konnte, stand er nur da und blickte lächelnd zu ihr hinunter. Er genoss ihre Verlegenheit sichtlich. Er wusste, welche Wirkung der Walzer auf sie hatte. In diesem Moment beschloss Catherine, nie wieder Walzer zu tanzen – dieser Tanz hätte nie erlaubt werden dürfen. Lady Cowper wusste nicht, was sie angerichtet hatte … oder doch? Verärgert dachte sie an Lady Cowpers Gesichtsausdruck, als die Dame sagte, dass Mr. Devenish ein glänzender Tänzer sei. Ha! Lady Cowper wusste es also. Der Walzer untergrub die Moral – besonders wenn eine Frau ihn mit einem großen dunkelhaarigen Mann wie Mr. Devenish tanzte. Nie wieder würde sie mit ihm tanzen!
»Vielen Dank, Mr. Devenish«, wiederholte Catherine. Sie musste Mr. Devenish loswerden.
Noch immer hielt der junge Lord Norwood Miss Lutens Hand. Sie stürzte davon. »Lord Norwood, ich muss dringend mit Ihnen reden!« Hugo musste zusehen, wie sein Neffe Miss Singleton in einen unbelebteren Teil des Saals geleitete. Er bemerkte, wie bereitwillig Thomas die hübsche Miss Lutens stehen ließ, nur um der Diamantenerbin zu folgen. Und als er sah, wie sich Miss Singleton auf ein Sofa setzte und einladend auf den Platz neben sich klopfte, konnte er ein Stöhnen kaum unterdrücken. Sein Neffe setzte sich zu ihr. Als Miss Singleton die Hand auf Thomas’ Arm legte und begann, mit dem jungen Mann zu tuscheln, biss er die Zähne zusammen. Diese Frau! Mit verträumten Augen flog sie in seinen Armen dahin, doch sobald der Tanz vorbei war, entwand sie sich ihm und rannte schnurstracks in die Arme seines Neffen. Hugo fluchte. Wenn Thomas nicht so ein nichtsnutziger Stutzer wäre, bräuchte er keine reiche Erbin zu heiraten. Und wenn die Leute nicht so merkwürdige Moralvorstellungen hätten, könnte er seinem Neffen beibringen, wie man sich seinen Lebensunterhalt selbst verdiente, damit er keine reiche Erbin zu heiraten brauchte. Aber Thomas würde sich nicht dem Spott der Leute aussetzen, nur um aus Liebe zu heiraten; zu oft schon hatte er erlebt, wie sein Onkel wegen seiner gewöhnlichen Bekannten herabgesetzt wurde. Nein, Thomas war nicht zu helfen. Mit einem letzten ärgerlichen Blick auf das junge Paar, das sich so angeregt unterhielt, ging Hugo auf einen der Bediensteten zu, der ein Tablett mit Erfrischungen auf dem Arm balancierte. Er wollte gerade nach einem der Gläser greifen, als er den Arm verärgert wieder sinken ließ. Zum Teufel mit den lächerlichen Regeln bei Almack’s! Er brauchte etwas Stärkeres als Mandelmilch! Auf diesen aufmunternden Gedanken hin verließ Hugo den Ball. Catherine war ein wenig nervös. Dass sie Lord Norwood nicht besonders mochte, war eine Sache; ihm das direkt ins Gesicht zu sagen, eine andere. Und sie würde sehr direkt sein müssen. Jede der sanften Andeutungen, die sie ihm gegenüber gemacht hatte, hatte der hübsche junge Mann neben ihr ignoriert. Sie würde direkt sein müssen, das wusste sie, und dennoch wollte sie ihn nicht verletzen. Sie sagte sich, dass er gar nicht interessiert an ihr war, dass er sie nur auf Anweisung seiner Mutter umwarb. Aber er hatte ihr nette Komplimente gemacht, und obwohl sie bezweifelte, dass es ihm ernst gewesen war, schätzte sie ihn vielleicht doch falsch ein. Catherine gefiel es nicht, dass die Männer in England Liebe heuchelten, wenn sie glaubten, eine Frau besitze ein Vermögen. In Indien oder China waren die Menschen ehrlicher. Dort stritten die Leute ganz offen über die Aussteuer.
So wurde wenigstens niemand getäuscht. Ja, es ist besser, grob zu sein, dachte sie. »Lord Norwood, ich glaube, es wäre besser, wenn man uns nicht länger zusammen sieht«, erklärte sie mit fester Stimme. »Es kursieren bereits Gerüchte über uns, und da aus uns nie ein Paar werden wird, sollten wir derartige Gerüchte im Keim ersticken, meinen Sie nicht?«
»Ja, wirklich. Unbedingt«, stimmte Lord Norwood ihr bei, während er über ihren Kopf hinwegstarrte. »Es tut mir Leid«, murmelte Catherine. »Ja, ja.«
»Sie sind mir doch nicht böse, oder?« hakte sie nach. »Hmm? Was?« Thomas blickte auf sie hinab. »Nein, gar nicht«, erwiderte er und betrachtete wieder die Vorgänge im Ballsaal. Catherine konnte ihren aufsteigenden Unmut nicht verhehlen.
»Dann habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen.« Sie erhob sich. Überrascht sprang er auf. »Oh, ist das unser Tanz? Na
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