Das Geheimnis der schönen Catherine
gesehen!«
»Ja, und wie weiß die Wolken sind«, antwortete er freundlich. »Sie sehen aus wie frisch gewaschen.«
»Ja.« Seine Antwort hatte Catherine den Wind aus den Segeln genommen. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er das Gespräch wieder auf das Thema Heuchelei zurückbringen würde. »Und so wattig. So wattig-weiche Wolken bekommt man hier in London nur sehr selten zu sehen.« Seine Lippen zuckten. Catherine warf ihm einen finsteren Blick zu. Ihr war vollkommen klar, dass er sich über sie lustig machte. Dennoch fuhr sie nach kurzem Schweigen fort: »Meine Kammerzofe fand den Dauerregen ein wenig ermüdend.«
»Ach, wirklich? Und das, wo sie doch aus Yorkshire ist?«
»Woher wissen Sie das?« fragte Catherine anklagend. Er lächelte. »Wir haben in der Eingangshalle ein paar Worte gewechselt. Dafür, dass sie so lange im Ausland war, ist ihr Yorkshire-Akzent immer noch bemerkenswert stark.«
»Oh.«
»Sie war in Indien, richtig?«
Diese Frage wehrte Catherine leichthin ab. »Oh, ich weiß nicht, was Maggie früher getan hat.
Ich würde nicht im Traum daran denken, sie auszufragen. Ich finde, man sollte die Privatsphäre der Dienerschaft respektieren.« Direkter konnte Catherine ihm nicht sagen, wie sehr sie es missbilligte, dass er seinen Stallknecht als Späher missbraucht hatte. »Aber Sie selbst haben doch in Indien gelebt?« Das war eine Feststellung. »Wieso fragen Sie?«
»Viele Ihrer exotischen Accessoires, für die Sie mittlerweile berühmt sind, stammen aus Indien. Es dürfte schwer sein, sie hier in London aufzutreiben.« Catherine zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was man hier in London kaufen kann. In Paris kenne ich mich besser aus.«
»Das erklärt natürlich die Eleganz Ihrer Kleider«, erwiderte er prompt. »Und ihren modischen Schick.«
»Merci du compliment, monsieur«, gab Catherine zurück und biss sich auf die Lippen. Sie hätte Paris nicht erwähnen dürfen. Er sollte nichts, aber auch gar nichts über ihren Hintergrund erfahren. Warum versuchte er eigentlich immer noch, etwas über sie in Erfahrung zu bringen? Sie hatte Lord Norwood den Laufpass gegeben. Warum also stellte er ihr immer noch Fragen? Warum lud er sie zur Ausfahrt ein? Hatte er vielleicht noch gar nicht mit seinem Neffen gesprochen? »Wie war die Überfahrt über den Kanal? Die See ist ja manchmal sehr rau.«
»Ach, schlechtes Wetter macht mir nichts aus«, antwortete sie ausweichend. »Zum Glück werde ich nie seekrank. Die arme Maggie dagegen verträgt die See ganz und gar nicht. Wie geht es eigentlich Ihrem Neffen, Lord Norwood? Ich habe ihn schon lang nicht mehr gesehen.«
»Es geht ihm gut.« Wortreich fuhr Catherine fort: »Ja, ja, ich habe ihn wirklich schon eine ganze Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ich hatte so furchtbar viele andere Dinge um die Ohren, müssen Sie wissen. Er ist natürlich ein sehr netter junger Mann, aber man kann schließlich nicht mit jedem flüchtigen Bekannten in gleich gutem Kontakt stehen.« Na also, dachte sie, jetzt weißt du, welchen Stellenwert dein Neffe für mich hat – lediglich den eines flüchtigen Bekannten. Eine Weile fuhren sie schweigend weiter, dann hob er die Hand und tastete seinen Hinterkopf ab. »Tut Ihnen der Kopf sehr weh?« erkundigte sich Catherine mit schuldbewusster Miene. »Mein Kopf?« Er fixierte sie mit bohrendem Blick.
»Wieso fragen Sie?« Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie ja nichts Näheres von seinem Kampf mit dem Chinesen wusste. »Nun, Sie haben sich mehrere Male an den Hinterkopf gefasst.« Diese Begründung kam ihr selbst ziemlich lahm vor. Er wandte sich zu ihr und betrachtete sie aufmerksam. Zu ihrem Entsetzen spürte sie, wie ihr schon wieder die Schamesröte ins Gesicht stieg. »Sie sind eine gute Beobachterin.« Hugo warf ihr von der Seite her einen Blick zu. Dass er dieser jungen Dame anfänglich ein schlichtes Gemüt unterstellt hatte, sie für todlangweilig gehalten hatte, war unvorstellbar. Mittlerweile hatten sie den Hyde Park erreicht – und bisher war sie jeder seiner Fragen ausgewichen. Das freche Stück! Am liebsten würde er … Nein, verdammt! Er hatte sich nicht vorgestellt, sie zu küssen! Außerdem pflegte er nicht mit ehrbaren Damen des ton zu tändeln. Er interessierte sich einfach nicht für sie. Für keine! Nicht dass er in einem offenen Wagen viel hätte ausrichten können. Vor allem, nachdem ihre Zofe und Griffin hinter ihnen saßen. Plötzlich fiel ihm auf, dass von hinten stetes Gemurmel
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