Das Geheimnis der schönen Catherine
Kammerzofe wirkte unentschlossen und zögerte einen Moment. »Oh nein, schon gut, Miss Catherine«, sagte sie dann und atmete tief durch. »Sie brauchen eine Anstandsdame, und da bin ich wirklich am geeignetsten. Ich … ich hole nur noch schnell meinen Mantel.« Sie eilte davon. Verwundert blickte Catherine ihr hinterher. Maggie hastete nach unten zur Küche, nicht in ihr Zimmer unter dem Dach. Sie benahm sich fast so, als hätte sie etwas zu verbergen. Wenn sie von ihrem Ausflug zurück waren, würde sie sich mit Maggie unterhalten müssen. Kurz darauf ging Catherine nach unten, wobei sie sich unterwegs noch ein paar vorwitzige Locken unter die schwarz bestickte türkische Kappe steckte. Maggie wartete bereits am Treppenabsatz auf sie, sehr adrett in ihrem grauen Mantel und der schlichten grauen Schute. Ihr Gesicht war immer noch gerötet. Auch Mr. Devenish war zur Stelle und musterte Catherine beifällig, worauf sich ein warmes Gefühl in ihr breit machte.
Nicht dass sie seinen Beifall gesucht hätte – es war einfach angenehm zu wissen, dass man gut aussah. Vor allem, nachdem einige der Kleider selbst geschneidert waren, mit Maggies Unterstützung. Vor dem Haus war bereits seine elegante Kutsche vorgefahren, und ein großer Mann in grauschwarzer Livree stand bereit, um ihnen in den Wagen zu helfen. Maggie hielt plötzlich inne und murmelte etwas Unverständliches. Catherine drehte sich zu ihr um. »Hast du etwas vergessen, Maggie?« Grimmig schüttelte die Kammerzofe den Kopf und schob ihren Schützling mit finsterem Gesichtsausdruck weiter. Mr. Devenish half Catherine in den Wagen, während sein Bediensteter Maggie die Hand reichte. »Uff!« Mit einem Aufschrei krümmte er sich, hielt sich den Magen und schnappte nach Luft. Maggie ging an ihm vorbei und kletterte mit würdevoller Miene auf den Dienersitz. »Dieser freche Lulatsch!« murmelte sie empört. »Das wird ihn lehren, eine anständige Frau derart anzulügen!« Sie schleuderte dem Mann einen wütenden Blick zu. Catherine sank der Mut. Maggies gut aussehender langer Lulatsch war also Mr. Devenishs Stallknecht. Schlagartig wurde ihr alles klar. Er war der Grund, warum Maggie in letzter Zeit so aufgeregt war, sich dauernd verspätete und zu den unmöglichsten Zeiten aus dem Haus ging. Die arme Maggie hatte gedacht, er würde sie hofieren, doch war er nur ein Spion, der sie in Mr. Devenishs Auftrag aushorchen sollte.
Trotzdem, es war besser, wenn sie seine wahren Absichten kannte. Hugo hatte das kleine Intermezzo beobachtet. Leichtfüßig stieg er zu ihr in den Wagen und meinte amüsiert: »Eine selbstständige Person, Ihre Kammerzofe.« Er griff nach den Zügeln. »Was für ein beeindruckender linker Haken!« Catherine ignorierte ihn. Am liebsten hätte sie ihm gehörig den Kopf gewaschen, weil er seinen Stallburschen auf sie angesetzt hatte, aber sie konnte ja nicht in aller Öffentlichkeit mit ihm streiten. »Auf geht’s, Griffin!« Wie befohlen ließ der Stallknecht die Pferde los und kletterte eilig zu Maggie auf den Dienersitz. Catherine sah aus den Augenwinkeln, dass ihre Kammerzofe die Röcke raffte und auf dem Sitz so weit wie möglich nach außen rückte. Nein, sie brauchte sich keine Sorgen zu machen: Maggie würde mit dem Spion schon selbst fertig werden. Fast verspürte sie Mitleid mit Griffin; schließlich hatte er nur getan, was ihm sein Herr befohlen hatte. Die Pferde zogen in flottem Trott an, warfen schnaubend den Kopf zurück und scheuten vor Passanten und aufgewirbeltem Laub.
»Sie waren eine ganze Weile nicht mehr draußen«, erklärte Hugo. »Aber keine Angst, es sind wirklich brave Tiere.«
»Ich habe keine Angst«, meinte Catherine kühl. »Stimmt. Ich hatte ganz vergessen, was für eine furchtlose Reiterin Sie sind.« Sie biss sich auf die Lippen.
Catherine Singleton hatte er nie reiten gesehen, nur eine geheimnisvolle fremde Dame. »Ich bin nicht furchtlos«, korrigierte sie ihn, »und nachdem Sie mich noch nie im Sattel gesehen haben, drängt sich mir der Schluss auf, dass Sie das nur sagen, um mir ein Kompliment zu machen. Bitte lassen Sie das, ich mag es nicht, wenn einem etwas vorgeheuchelt wird.«
Forschend betrachtete er sie. »Wirklich nicht?« Catherine schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Sie hatte nicht vor, mit ihm über Heuchelei zu diskutieren. »Was für ein wundervoller Tag!« erklärte sie schwärmerisch. »Und wie blau der Himmel ist! Ich habe den Himmel über London noch nie so strahlend blau
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