Das Geheimnis der schönen Catherine
nach vorn drang. Die Zofe war eine hübsche Frau, musste er einräumen, aber doch sehr hochgeknöpft. Tugendsam von Kopf bis Fuß. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen und Hugo und seinem Stallknecht einen Blick zugeworfen, den Frauen normalerweise Küchenschaben oder Ratten vorbehielten. Entrüstete Ehrbarkeit. Ihre Empörung hatte Hugo amüsiert. Dienstbotinnen betrachteten ihn und seinen großen, attraktiven Stallburschen normalerweise mit ganz anderer Miene. Griffin war eigentlich nicht sehr gesprächig, doch wenn man genau hinhörte, klang es, als hätte er im Moment eine ganze Menge zu sagen. Die Zofe hingegen schien erkältet zu sein, denn alles, was Hugo von ihr hörte, war hin und wieder ein verächtliches Schnauben. Ihm wollte scheinen, dass Griffin seine Zeit verschwendete. Hugo ließ die Pferde im Schritt gehen. Im Hyde Park war zwar weitaus weniger Verkehr als auf den Straßen, aber das Gedränge hier war fast genauso chaotisch. Das strahlende Wetter hatte eine Menge Menschen in den Park gelockt, auch wenn es noch nicht die fashionable Flanierstunde war. Miss Singleton hatte nur wenige Bekannte, schien aber den Dienstmädchen, die hier mit ihren Verehrern spazieren gingen, ebenso viel Beachtung zu schenken wie den Damen und Herren der feinen Gesellschaft. Hugo beobachtete, wie sie sich nach den dahinschlendernden Paaren und vorbeifahrenden Wagen umdrehte. Dass sie so vergnügt Anteil am bunten Treiben ringsum nahm, rührte ihn. Sie war widersprüchlich und geheimnisvoll. Und genau diese Widersprüchlichkeit faszinierte ihn. Ein kleiner Zweisitzer, der von zwei jungen Herren gelenkt wurde, die ein wenig zu schnell fuhren, schoss an ihnen vorbei. Hugo sah, dass Catherines Fingerknöchel weiß wurden, während sie ihr Ridikül umklammerte. Sie entspannte sich, als das Gefährt seine rasende Fahrt verlangsamte und schließlich stehen blieb, weil der Fahrer einen Freund begrüßen wollte. »Kennen Sie einen der jungen Herren?« fragte er neugierig. »Nein, aber ich hatte Angst, dass jemand zu Schaden kommen könnte. Sie waren viel zu schnell, finden Sie nicht?«
Er zuckte mit den Schultern. Für Fremde interessierte er sich nicht. Aber er fand es interessant, dass sie es tat. Zwei Damen mit einem Stallburschen im Gefolge ritten an ihnen vorbei. Sie schwatzten miteinander und lachten, sich der Blicke, die sie auf sich zogen, vollauf bewusst. Die eine trug ein eng geschnittenes Reitkostüm mit einem militärisch anmutenden Schnürverschluss und einem Tschako, die andere ein Habit aus blassgrünem Samt und ein üppig mit Straußenfedern garniertes Hütchen. Ihr Aufzug erschien Hugo reichlich extravagant. Hugo warf Catherine einen Blick zu und stellte erstaunt fest, dass sie die Details der Reitkostüme mit fast hungrigen Blicken betrachtete. Noch ein Geheimnis, das es zu lüften galt? Er hatte sie nur ein einziges Mal reiten sehen, in einem verblichenen blauen Kleid. Sie war eine reiche Erbin, konnte hervorragend reiten – und dann ein altes, schäbiges Kostüm? »Was halten Sie von den Pferden?« fragte er beiläufig. Sie zog eine Grimasse. »Auf den ersten Blick würde ich sagen, sie taugen nicht allzu viel, auch wenn die hübsche kastanienbraune Stute aussieht, als könnte sie ganz gut traben.«
»Falls der in Samt gehüllte Kartoffelsack auf ihrem Rücken sich jemals dazu entschließen sollte, schneller als im Schritttempo zu reiten.« Sie lachte. »Wie unhöflich von Ihnen. Sie ist doch sehr hübsch, beileibe kein Kartoffelsack.«
»Und sie sitzt sehr schlecht im Sattel.« Wieder lachte Catherine.
»Nun, sie sieht trotzdem sehr hübsch aus, finden Sie nicht? Nicht jeder hat das Glück, im Sattel groß zu werden.« Was sie gesagt hatte, bewies Sachverstand. Sie kannte sich mit Pferden aus. Hugo fragte sich, wo sie wohl aufgewachsen war, ob sie selbst im Sattel groß geworden war. Er wünschte, sie würde endlich zugeben, dass sie es gewesen war, die er an jenem Morgen im Park getroffen hatte. Nicht, dass er daran zweifelte, aber er wollte es aus ihrem Mund hören. Er hatte nichts dagegen, dass sie Geheimnisse hatte. Aber ihm sollte sie schon die Wahrheit sagen. Er zuckte zusammen. Was dachte er sich da bloß? Catherine fuhr fort: »Ich sehe hier ein paar hübsche Tiere, aber die meisten Pferde, die von Damen geritten werden, haben wohl nicht viel Temperament. Die schwarze Stute dort drüben ist ein bisschen schwach auf der Hinterhand, meinen Sie nicht auch? Und ich mag es überhaupt nicht, wenn sie einen
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