Das Geheimnis der schönen Catherine
kann nicht zulassen, dass Sie sie den Behörden übergeben. Die werden sie doch aufhängen!« Catherine konnte die Antwort nicht verstehen. Aber sie wusste, wie sie ausfallen würde. Sir William war schließlich Friedensrichter. »Sie ist weg!« Aufgeregt kam Dawkins in das Arbeitszimmer seines Herrn gestürzt.
»Ich bin zu ihr gegangen, um ihre Kammerzofe einzulassen, wie Sie es befohlen hatten, Sir, und das Zimmer war leer.« Erstaunt hob Sir William die Augenbrauen. »Ich hab die Tür wirklich abgesperrt, Sir, ehrlich, das habe ich. Und ich habe den Schlüssel die ganze Nacht bei mir getragen, weil man ihrer Zofe ja auch nicht trauen kann«, versicherte der Butler Sir William. »Das Mädchen muss aus dem Fenster geklettert sein. Ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat. Bis nach unten sind es einige Meter, und nachts war es draußen so feucht, dass die Dachziegel bestimmt höllisch rutschig waren.« Sir William sprang auf und starrte hinaus in den Park. Er wirkte besorgt. Dawkins sah seine Frage voraus.
»Nein, Sir. Sie liegt nicht mit gebrochenem Genick im Garten. Das habe ich bereits überprüft. Sie hat sich davonmachen können.« Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sich sein Herr in den Sessel sinken. »Nun, ich muss sagen, ich bin froh darüber.«
»Sir?«
»Dawkins, meinen Sie denn wirklich, dass wir das Mädchen ins Gefängnis gebracht hätten?« Dawkins entspannte sich ein wenig. »Nun, Sir, die Vorstellung hat uns allen gar nicht behagt. Trotzdem, ein Dieb ist ein Dieb und muss wohl bestraft werden.« Er runzelte die Stirn. »Sie hat sich allerdings nicht wie ein Dieb benommen, wenn ich das mal sagen darf. Wir waren alle sehr angetan von Miss Catherine.« Er sprach für alle Hausangestellten.
»Ein hübsches, gutherziges Mädchen, fanden wir.« Sir William seufzte. »Ja, Dawkins. Ein reizendes Mädchen. Lady Marsden und ich, wir hatten sie richtig ins Herz geschlossen. Und die Mädchen auch.
Ach, das ist alles so …« Er beendete den Satz nicht, aber er sah elend und unglücklich aus. »Holen Sie mir Mr. Devenish. Er hat die ganze Nacht auf mich eingeredet. Ich glaube, er ist oben, um sich zu rasieren.« Hugo hatte das Gefühl, eine Stahlklammer lege sich um sein Herz. »Was soll das heißen:
›Sie ist verschwunden‹?«
»Nun, Miss Catherine ist verschwunden, Sir«, wiederholte Maggie Bone.
»Aus dem Fenster geklettert und übers Dach verschwunden. Sie hat sich ein Pferd ausgeliehen – und einen Zettel im Stall hinterlassen, dass sie es an der Poststation zurücklassen würde.«
»Ein Zettel?«
»Für Sie hat sie einen Brief dagelassen, Sir. Und für mich auch. Der Brief an Sie ist der längste.« Sie hielt ihm ein sauber gefaltetes Papier entgegen. Hugo riss es ihr fast aus den Händen. Sorgfältig erbrach er das Siegel und las den Brief. Lieber Mr. Devenish, ich möchte nicht gehängt werden, deswegen muss ich Abschied nehmen. Bitte drücken Sie Sir William und Lady Marsden mein tief empfundenes und aufrichtiges Bedauern aus. Sagen Sie Sir William, dass ich das Schachspiel gestern Abend nur zurückbringen wollte. Ich hatte es schon am ersten Abend gestohlen – an dem Abend, als wir zusammen im Kinderzimmer Toast geröstet haben. Ich bereue sehr, was ich getan habe. Ich trat meine Reise nach England auf Wunsch meines Vaters an. Ich dachte, dass ich das Richtige täte, weil ich glaubte, die Menschen, die ich bestahl, hätten die Dinge, die ich mitgehen ließ, meinem Vater gestohlen. Das war falsch. Mir war nicht klar, dass mein Vater mich sogar noch auf dem Sterbebett belügen würde. Bitten Sie Sir William, mich nicht anzuzeigen, um Tante Roses willen. Ich werde mein Bestes tun, um die Diebstähle, die ich begangen habe, wieder rückgängig zu machen. Natürlich laufe ich dabei Gefahr, ertappt zu werden. Wenn das passiert, werde ich einen falschen Namen angeben, damit kein Schatten auf Roses Namen fällt. Meine Familie hat Rose genügend Leid zugefügt. Bitte, Sir, beschützen Sie sie, so gut Sie können, vor den Folgen meiner Taten. Ich vertraue Ihnen auch Maggie Bone an, meine geliebte und treue Zofe und Gefährtin. Sie ist loyal und arbeitsam und eine zutiefst ehrenwerte Frau. Bitte beurteilen Sie die Dienerin nicht nach ihrer Herrin. Maggie hat in den letzten sieben Jahren ihr Bestes gegeben, um aus mir einen anständigen Menschen zu machen. Sie trägt keine Schuld daran, dass ihre Bemühungen so wenig Erfolg zeigten, es liegt an der Erziehung, die mir als Kind zuteil wurde.
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