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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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zwei, drei …«, schallte es durch die Abendluft.
    Vivi Ann hatte das schon unzählige Male erlebt, aber heute Abend zerrte es an ihren Nerven. Die Band war zu laut, die Pflichten zu viele, und Winona behielt sie unablässig im Auge, wie eine Löwin auf der Pirsch.
    »Was ist?«, fauchte Vivi Ann sie schließlich an.
    »Du bist heute etwas gereizt«, sagte Winona. »Luke meint, du hättest nie Lust, mit ihm über die Hochzeit zu reden. Warum eigentlich nicht?«
    »Wieso müssen wir ständig über Luke reden?«, fragte Vivi Ann. »Ich hab die Nase voll von den Hochzeitsplänen und deinem ständigen Nachbohren. Such dir doch selbst einen Freund, verdammt noch mal, und lass mich in Ruhe.«
    »Vielleicht solltest du Luke in Ruhe lassen.«
    Sofort stellte sich Aurora zwischen sie, wie ein Schiedsrichter. »Achtung, wir sind in der Öffentlichkeit.«
    »Aber Vivi Ann steht doch gern im Mittelpunkt, oder etwa nicht, Vivi?«, erwiderte Winona.
    Vivi Ann hatte jetzt keine Lust, sich das anzuhören. »Hör mal, Win –«
    »Nein, du hörst jetzt mal. Du nimmst und nimmst und nimmst und denkst überhaupt nie an andere! Du interessierst dich nur für dich selbst.«
    »Hör auf, Winona«, warnte Aurora sie.
    »Womit denn? Miss Austernkönigin die Wahrheit ins Gesicht zu sagen?« Winona sah sie an. »Du bist egoistisch und verwöhnt. Du brichst Luke das Herz, aber das ist dir ja egal. Und dann wird er nie wieder eine andere lieben können, weil du immer an erster Stelle stehst.« Mit diesen Worten drehte sich Winona um und drängte sich durch die Menge.
    Vivi Ann war erschüttert, wie treffsicher Winonas Attacke gewesen war. »Sie hat recht«, brachte sie hervor, als sie verschwunden war. Ihr war übel; sie schämte sich und hatte Angst.
    »Sie hat das nicht so gemeint. Das weiß ich. Ich werde mit ihr reden.«
    Vivi Ann wusste, sie sollte mit ihr gehen und Winona suchen, um alles zu klären, aber als Aurora sagte: »Wir treffen uns beim Umzug«, da dachte Vivi Ann – Himmel hilf! – an Dallas.
    Sie wusste, wo sie ihn finden konnte. Jeden Freitag- und Samstagabend war er bei Cat, das war stadtbekannt. Es hieß, dass er geradezu irritierend gut Poker spielte und jeden Mann unter den Tisch trank.
    »Du solltest zum Umzug gehen«, sagte sie zu sich selbst, kaum dass Aurora verschwunden war. Aber sie konnte ihren eigenen Rat nicht befolgen, denn die Sehnsucht nach Dallas brannte wie Feuer in ihren Adern. Also machte sie sich auf den Weg zum Kanal, hielt sich aber möglichst im Schatten. Glücklicherweise war so viel los, dass niemand ihr Beachtung zu schenken schien.
    Am Ende der Gasse hockte Cat Morgans Haus wie ein alter Trunkenbold am Kanalufer, zusammengesunken und mitgenommen. Die Veranda war schief, die Fensterscheiben immer noch nicht ausgewechselt. Aber sie sah, dass drinnen gefeiert wurde; Schattengestalten tanzten vor den offenen Fenstern. Musik –  AC/DC oder auch Aerosmith, jedenfalls etwas mit dumpf hämmernden Bässen – dröhnte so laut heraus, dass sie kaum noch die Wellen an den Kai schlagen hörte.
    Vivi Ann war in ihrem ganzen Leben noch nicht zu diesem Haus gegangen. In Oyster Shores gab es zwei Gruppen von Menschen: die, die sonntags zur Kirche gingen, und die, die bei Cat Morgan feierten. Für Leute, die um ihren guten Ruf besorgt waren, war dieses Haus tabu. Seit Cat zehn Jahre zuvor in die Stadt gekommen war, hatte sie sich eine Existenz am Rande der Gesellschaft geschaffen. Es war allgemein bekannt, dass es auf ihren Partys Alkohol, Sex und Drogen gab, aber sie zahlte ihre Steuern und blieb, wo sie hingehörte: außerhalb. Mütter nutzten sie gegenüber ihren leicht zu beeindruckenden Töchtern als abschreckendes Beispiel: Sei vorsichtig mit Jungs und Alkohol, sonst endest du wie Cat Morgan.
    Vivi Ann wappnete sich also, überquerte den struppigen Rasen des Vorgartens und trat an die Haustür.
    »Na, wenn das mal nicht Vivi Ann Grey ist.«
    Es war so dunkel auf der Veranda, dass Vivi Ann erst einen Moment brauchte, bis sie erkannte, wer da gesprochen hatte. Dann sah sie undeutlich eine rötlich gefärbte Mähne.
    Cat stand in einer Ecke der Veranda und rauchte. Sie trug schwarze Röhrenjeans und einen Blazer, der in der Taille von einem glitzernden Silbergürtel gehalten wurde. Damit wirkte sie, als wäre sie direkt von einer Bühne der Urban Cowboys gesprungen. In der Dunkelheit traten die Falten in ihrem Gesicht stärker hervor. Vivi Ann hatte keine Ahnung, wie alt sie war – vielleicht

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