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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Dann stieg sie wieder in ihren Wagen und fuhr Richtung Innenstadt. Als sie an der Tankstelle vorbeikam, kam von hinten eine Ambulanz mit Sirenen und Blaulicht angerast.
    Sie fuhr rechts ran, fädelte sich dann wieder in den Verkehr ein und kurvte langsam durch den Ortskern, um Ausschau nach Lukes Wagen zu halten. Sie näherte sich schon der Bowlingbahn, als sie zufällig einen Blick nach links warf. In der Ferne sah sie die Grundstücksgrenze von Water’s Edge, die dunklen, sanft geschwungenen Weiden. Dahinter blitzte rotes und blaues Licht auf. Die Ambulanz war bei ihr zu Hause.
    Vivi Ann trat auf die Bremse und scherte in den Zufahrtsweg ein. Auf dem Hügel angekommen, hielt sie und sprang aus dem Wagen. Sie rannte über die Wiese, als zwei Sanitäter mit einer Trage aus dem Cottage kamen. Darauf lag Dallas.
    Schlitternd blieb sie stehen. Auf Dallas’ rechter Wange klaffte ein tiefer Schnitt. Ein Auge war geschwollen und färbte sich bereits dunkel.
    »Hey, Königin«, sagte er und zuckte zusammen, als er zu lächeln versuchte.
    »Oh, Dal… Es tut mir so leid.«
    »Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen«, sagte einer der Sanitäter. Sie nickte und trat einen Schritt zurück.
    »Ich komme gleich nach«, versprach sie.
    »Nein, nicht.«
    Sie küsste ihn auf seine unversehrte Wange.
    »Es wird ziemlich hässlich für dich werden, Vivi.«
    »Ich bin ja selbst schuld. Ich hätte nicht lügen sollen.«
    Es blieb keine Zeit, mehr zu sagen. Die Sanitäter rollten ihn zum Krankenwagen, schoben ihn hinein und fuhren davon.
    In der daraufhin eintretenden Stille starrte Vivi Ann auf das Cottage ihres Großvaters und versuchte, allen Mut zusammenzunehmen, um Luke gegenüberzutreten.
    Als sie bereit war, ging sie zur Vordertür und trat ein.
    Aber nicht nur Luke wartete auf sie. Er stand an der Küchenspüle, und neben ihm standen Winona und Dad.
    Vivi Ann stockte kurz, doch dann ging sie weiter auf sie zu.
    »Verzeih mir, Luke. Ich war schon bei dir zu Hause, um dir –«
    »Zu spät, Vivi«, sagte er.
    »Aber –«
    »Dein Freund ist so feige, dass er sich nicht mal gewehrt hat.« Er stieß sich von der Spüle ab, marschierte an ihr vorbei und verschwand aus dem Cottage. Die Tür knallte hinter ihm zu.
    Vivi Ann hörte, wie sein Wagen ansprang und sich entfernte. In der darauf einsetzenden Stille sah sie ihren Vater und Winona an. »Es tut mir leid, Daddy. Als du Mom kennengelernt hast, hast du dich bestimmt auch so gefühlt.«
    Dad schlug ihr so heftig ins Gesicht, dass sie zur Seite taumelte.
    »Du gehst morgen mit deiner Familie zur Parade und wirst mich, weiß Gott, nicht noch einmal blamieren.«
    Die folgende Nacht verbrachte Vivi Ann im Schaukelstuhl ihrer Großmutter. Sie schlief nicht, nickte höchstens ein paar Mal ein. Die meiste Zeit jedoch starrte sie hinaus auf die dunklen Weiden von Water’s Edge.
    Du gehst zur Parade. Du wirst mich nicht blamieren.
    Die Botschaft war eindeutig: Ihr Vater erinnerte sie daran, dass sie eine Grey war und nicht aus der Familie ausscheren durfte. Er wusste, genau wie sie auch, dass ihr die Affäre und sogar der Betrug an Luke verziehen werden würde. Es würde kein schöner, sondern ziemlich schmerzlicher Prozess werden, aber am Ende würde ihr garantiert vergeben werden. In Oyster Shores wurden die Dinge auf ganz eigene Weise gehandhabt, und jeder kannte die Regeln. Sie musste nur ihre Sünden gestehen und reumütig zur Familie zurückkehren.
    Das Ultimatum ihres Vaters war auch eine Erinnerung dar an, dass Familienbande stark waren. Ihr ganzes Leben hatte sie dies als eherne Wahrheit betrachtet, die nicht infrage gestellt werden konnte. Aber am Abend zuvor hatte sie eine Ahnung davon bekommen, wie fragil alles sein konnte und dass es in ihrer Familie unter der glatten Oberfläche dunkle Unterströmungen gab. Nie zuvor war ihr in den Sinn gekommen, dass alles nicht so bedingungslos war wie angenommen und dass nur ein Fehler, ein Schritt vom rechten Weg alles gefährden konnte. Und sie fallen gelassen würde.
    Sie hatte die Wahl: Dallas oder die Familie. Für sie war es, als müsste sie sich zwischen Armen und Beinen, zwischen Herz und Lunge entscheiden.
    Endlich graute der Morgen und überzog Water’s Edge und den stahlgrauen Hood Canal mit seinem Licht, so dass die schneebedeckten Berge am gegenüberliegenden Ufer aufleuchteten. Sie ging zum Stall und fütterte die Pferde, kehrte dann zum Cottage zurück und setzte sich auf die Veranda.
    Sie saß immer noch dort, als ihr

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