Das Geheimnis der Totenmagd
einander doch ihre Gefühle.« Florian sah Anna fragend an.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hat sie nicht. Sie hat mir nur erzählt, dass sie in ihrer Ehe mit dem Nachtwächter nicht glücklich ist und sich sehr nach einer erfüllten Liebe sehnt. – Aber tun wir das nicht alle?«
»Wohl wahr«, murmelte Florian und nickte resigniert. »Das Tragische dabei ist nur, dass man nicht immer auf Gegenliebe trifft, wie man an uns beiden sehen kann.«
Anna seufzte. »In meinem Fall mag das zutreffen. Aber was Euch angeht, bin ich mir da keineswegs sicher. Habt Geduld. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass Katharina, auf welche Weise auch immer, unter schlechten Einfluss geraten ist. Der grausame Foltertod des Vaters, dem sie beiwohnen musste, hat ihr wohl das Herz gebrochen. Und wenn ein skrupelloser Mann das ausgenutzt hat …«
»Dieser verdammte Schurke, wenn ich den nur in die Finger bekommen würde! Ich könnte ihn kaltmachen«, schnaubte Florian und schlug wütend mit der Faust auf den Tisch, dass die Becher schepperten.
»Seltsam, wie sehr sich Katharina verändert hat«, sinnierte Anna traurig. »Anfangs war sie trotz der Verhaftung des Vaters so unverdrossen und mutig, und dann hat sie plötzlich völlig aufgegeben. Als ich sie das letzte Mal sah, war sie nicht nur verzweifelt, sondern geradezu willenlos.«
»Das ist mir auch ein Rätsel. Katharina war alles andere als schwächlich, ich habe sie immer als Kämpferin gekannt, eine, die immer wieder aufgestanden und weitergegangen ist.« Florians Mienenspiel verdüsterte sich.
»Dieser verdammte Stefenelli«, murmelte er zornig. »Seit der sie unter seine Fittiche genommen hat, ist es mit Katharina bergab gegangen.«
Anna blickte alarmiert auf. »Meint Ihr Leonhard Stefenelli, den Stadtphysikus? Er ist auch der Arzt unserer Familie. Hegt Ihr etwa einen Verdacht gegen ihn? Habt Ihr ihm etwas vorzuwerfen?«
»Na ja, er hat sich um Katharina gekümmert, damals, als ihr jemand einen Stein an den Kopf geworfen hatte, und auch, als sie bei der Hinrichtung zusammengebrochen war«, erwiderte Florian unwillig. »Aber ich bin mit diesem Kerl einmal ganz schön aneinandergeraten. Das war nach der Hinrichtung, da haben der Nachtwächter und ich Katharina in sein Haus gebracht, damit er sie versorgt. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich hatte einfach kein gutes Gefühl, auch wenn er sich bis dato immer so verhalten hatte, wie man es von einem Arzt erwarten kann. Jedenfalls bin ich an jenem Abend dorthin gegangen, um nach Katharina zu sehen, und … der Mistkerl hat mich nicht nur nicht zu ihr gelassen, sondern mich noch aufs Übelste beschimpft und vor die Tür gesetzt. Dabei wollte ich doch nur wissen, wie es Katharina geht. In seinen Augen war ein solcher Hass, er war vollkommen außer sich … Dieser Mann ist böse und gefährlich! Ich habe Katharina kürzlich noch vor Doktor Stefenelli gewarnt. Doch sie wollte davon nichts hören, wurde wütend und hat mich einfach stehen gelassen.« Florian senkte betrübt den Kopf. »Da habe ich für kurze Zeit gedacht: Lass sie doch ziehen! Doch so schnell gebe ich nicht auf, nicht bei Katharina.«
Anna, die Florian aufmerksam und nachdenklich zugehört hatte, sah ihn jetzt entschlossen an.
»Dieser Doktor Stefenelli ist auch mir nicht ganz geheuer. Schließlich hat er uns einen Krankentröster für meine Schwester Mechthild empfohlen, der sich inzwischen als Betrüger erwiesen hat und seit dem Mord an ihr unauffindbar ist. Wenn ich es recht überlege, weiß eigentlich niemand, woher Doktor Stefenelli stammt und wo seine Familie lebt. Vielleicht sollte ich mich im Rathaus nach Stefenelli erkundigen? Als Tochter eines Patriziers weiß ich, wer mir Auskünfte über ihn erteilen kann. Mir ist nur bekannt, dass Stefenelli bald, nachdem er in der Stadt aufgetaucht ist, zum Stadtphysikus berufen wurde, wofür andere sich erst viele Jahre bewähren müssen. Das riecht irgendwie nach Mauschelei. Ich halte Euch selbstverständlich über alles, was ich herausfinde, auf dem Laufenden. Was haltet Ihr davon?«, fragte sie den Maler.
»Das ist eine gute Idee. Vielleicht ist tatsächlich nicht alles in Ordnung mit ihm. Unterdessen werde ich ihn noch einmal aufsuchen und ihm wegen Katharina ein paar Fragen stellen. Und wenn er nicht mit der Wahrheit rausrückt, werde ich ihn mal ordentlich schütteln«, schnaubte Florian wütend.
»Ich kann Euch ja verstehen. Aber wenn er wirklich etwas zu verbergen hat, wird er dadurch
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