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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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vom Burghof her Schritte. Ein kleiner Holzladen im Portal wurde geöffnet, und in der Luke erschien das faltige Antlitz eines alten Dieners, der sich knapp nach ihrem Begehr erkundigte.
    »Ich bin die Jungfer Stockarin aus Frankfurt am Main, in Begleitung meiner Dienerin und meines Kutschers, und möchte bitte Herrn Kilian von Hattstein sprechen. Er war in unserem Hause als Seelsorger tätig«, erklärte Anna keuchend. Die Schneeflocken nahmen ihr beinahe die Sicht.
    »Da muss ich erst den Herrn Grafen fragen, ob er bereit wäre, Euch zu empfangen«, beschied sie der Domestik abweisend, verschloss den Laden und entfernte sich wieder.
    Nach einer noch längeren Wartezeit, als sie schon kaum mehr zu hoffen wagten, eine Rückmeldung zu erhalten, wurde von innen geräuschvoll das Schloss entriegelt, und der alte Diener ließ die Wartenden eintreten. Streng erklärte er, die Dienstboten sollten in der Gesindeküche warten, Anna könne ihm nachfolgen. Anna überlegte kurz und entgegnete dann resolut, dass ihre Dienerschaft sie zum Grafen begleiten werde.
    »Dann nehmt meinethalben Eure Magd mit. Der Knecht wartet in den Gesinderäumen neben dem Pferdestall«, entschied der Diener säuerlich und wies Jockel den Weg zu den Stallungen.
    Nachdem sie eine weitläufige, karg eingerichtete Halle durchschritten hatten, so kalt und dunkel wie eine Gruft, stiegen sie über eine breite knarrende Holztreppe nach oben auf eine langgezogene Galerie, deren massive Steinwände mit den düsteren Konterfeis der früheren Burgherren geschmückt waren.
    Vor einer Flügeltür aus Eichenholz blieb der alte Diener stehen und klopfte an. Nachdem eine nasale Stimme »herein« gerufen hatte, öffnete er die beiden Türflügel, verbeugte sich devot und meldete:
    »Die Jungfer Stockarin aus Frankfurt nebst Dienerin, Herr Graf.«
    »Entrez!« , tönte es von drinnen.
    »Bitte einzutreten, die Dame, Seine Durchlaucht Graf Kuno von Hattstein sind bereit, Euch zu empfangen!« Der Diener hielt Anna die Tür auf, während er Katharina geflissentlich ignorierte.
    Vor einem mächtigen Kamin, in dem ein loderndes Feuer brannte, saß ein kahlköpfiger alter Herr mit abweisenden, blasierten Gesichtszügen und würdigte die Eintretenden kaum eines Blickes.
    »Nun, was verschafft mir die Ehre?«, ließ er sich schließlich herab zu fragen, schenkte dabei aber der grauen Dogge zu seinen Füßen weitaus mehr Aufmerksamkeit als den Besucherinnen. Anna, verärgert über seine Unhöflichkeit, blickte den Burgherren an mit einer Arroganz, die der des Aristokraten kaum nachstand, und erklärte mit allem Standesdünkel, zu dem sie als Tochter einer hochstehenden Patrizierfamilie fähig war, es müsse sich um ein Missverständnis handeln. Sie habe dem Diener ausdrücklich mitgeteilt, dass sie Herrn Kilian von Hattstein zu sprechen wünsche.
    »Das Missverständnis liegt bei Euch«, entgegnete der Graf unwirsch und warf seinem Hund ein Stück Hirschleber hin.
    »Wie darf ich das verstehen?«, erkundigte sich Anna scharf. Da ihr kein Platz angeboten worden war, baute sie sich hocherhobenen Hauptes vor dem kahlköpfigen Aristokraten auf wie eine Amazonenkönigin. Der Hund schien ihre Verärgerung zu wittern und gab ein tiefes Grollen von sich.
    »Vorsicht, nicht näher kommen. Er mag keine Walküren!«, bemerkte Graf Kuno boshaft. »Wir übrigens auch nicht.« Dann fuhr er in hochnäsigem Tonfall fort: »Ganz einfach: Einen Kilian von Hattstein gibt es hier nicht!«
    Anna war vor unterdrückter Wut über diesen neuerlichen Affront ganz blass geworden und schien um Fassung zu ringen.
    »Seit mehr als einem Jahr hat ein gewisser Kilian von Hattstein im Hause meiner Eltern gelebt. Er wurde von meinem Vater, dem ehrenwerten Frankfurter Patrizier und Senatsangehörigen Josef Stockarn fürstlich dafür entlohnt, dass er meine gemütskranke Schwester seelsorgerisch betreute. Nun ist meine Schwester auf bestialische Weise ermordet worden, und ihr werter Herr Seelsorger hat sich gleich am nächsten Tag mit der Bemerkung von dannen gemacht, er werde sich auf den Stammsitz seiner Familie, Burg Hattstein im Taunuswald, zurückziehen. Ich bin keineswegs zum Vergnügen in diese hinterwäldlerische Gegend hier gereist, sondern um Euren Sohn Kilian, denn um selbigen handelt es sich doch wahrscheinlich, zur Rede zu stellen. Ich frage Euch jetzt zum letzten Mal, ehe ich den Vorgang an die Frankfurter Gerichtsbarkeit weitergebe: Wo ist er?«, fuhr Anna den Burgherren in eisigem Ton

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