Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
schon etwas abgekühlt war, und begann.
»Danke, dass wir kommen durften, Signore Badoglio. Wie ich Ihnen ja schon am Telefon sagte, geht es in erster Linie um meinen Freund, den verstorbenen Professore Paolo Mazzetti. Wir kümmern uns gerade darum, dass sein Werk nicht in alle Winde verstreut, sondern zusammengehalten wird. Und da ich gerade erfahren habe, dass sein besonderes Interesse Ihrem Museum galt, wüsste ich gern, wofür er sich hier besonders interessiert hat und ob er vielleicht etwas hinterlassen hat.«
Badoglio lehnte sich zurück.
»Ja, ja. Paolo Mazzetti. Er war oft hier, und ich war entsetzt, als ich hörte, was ihm zugestoßen war. Stört es Sie, wenn ich rauche?«
Robert und Carlo schüttelten fast synchron den Kopf, worauf Badoglio hinter einen Bücherstapel griff und eine Enrico-Bocci-Pfeife aus Bruyèreholz hervorholte. Sie war bereits gestopft, und eine halbe Minute später durchzog der Duft von Black Ambrosia, der nach Karamell und Mocca roch, den Raum.
»Ich habe Mazzetti vor einigen Jahren kennen gelernt. Wir hatten hier eine Sonderausstellung mit Leihgaben zum Thema ›Nekropole der Etrusker‹. Ihn interessierte dieses Thema ganz besonders. Aber bevor ich Ihnen das weiter erkläre, muss ich Ihnen etwas Grundlegendes über die Etrusker sagen.
Obwohl die Wissenschaft in den letzten hundert Jahren einige Fortschritte gemacht hat, sind die Etrusker für uns immer noch das rätselhafteste Volk, das jemals in Europa gesiedelt hat. Schauen Sie sich allein die Sprache an. Sie schrieben zwar in griechischen Buchstaben von rechts nach links, aber man kennt nur von so wenigen Worten die Bedeutung, dass es nicht ausreicht, um ihre Sprache richtig verstehen zu können. Außerdem gibt es nur sehr wenige schriftliche Dokumente, wir können uns viele Dinge nur zusammenreimen. Und schließlich haben die Römer gründlich dafür gesorgt, dass die etruskische Kultur von ihrer vollständig zugedeckt wurde und fast spurlos im Dunkel der Geschichte verschwand.
Allerdings fürchteten sie sich auch vor den übersinnlichen Fähigkeiten der Etrusker. Nebenbei – sie haben sogar den etruskischen Obergott, Voltumna, aus Angst unter dem Namen ›Vertumnus‹ in ihre Götterriege eingereiht.
Aber kommen wir auf ein weiteres wichtiges Element: auf die seherischen Kräfte. Wir wissen heute, dass die Etrusker die Mantik – das ist die Fähigkeit, bevorstehende Ereignisse voraussagen zu können – zu einer ausgeklügelten Wissenschaft entwickelten. Sogar, was das Schicksal ihres Volkes anbelangte. Ihre Seher hatten vorausgesagt, dass ihre Kultur tausend Jahre bestehen würde, und sie haben Recht behalten. Ihre Kultur verschwand und mit ihr viele ihrer Geheimnisse. Eine Kultur, die einst so groß und so reich war wie die des alten Ägyptens.
Das gilt besonders für den Totenkult. Und jetzt komme ich langsam auf Mazzetti. Wissen Sie, wir zeigen hier im Museum mehr als sechshundert Graburnen. Das Besondere an diesen Urnen ist die Darstellung des Toten, dessen Asche darin ruht: eine nach dem Abbild des Toten modellierte Deckelfigur. Wir können sie uns später in aller Ruhe ansehen. Da den Gräbern auch Schmuck, Waffen, Nahrung und Gegenstände des täglichen Lebens mitgegeben wurden, nehmen wir an, dass die Darstellung des Verstorbenen dazu diente, dass er im Jenseits wiedererkannt werden konnte. Von seinen Ahnen, zum Beispiel. Diese Art der Kenntlichmachung ähnelt der ägyptischen. Dort wurde der Verstorbene ebenfalls dargestellt. Und zwar durch sich selbst, als Mumie. Und die Ägypter hatten auch Grabbeigaben für die Reise in die andere Welt.«
Badoglio – augenscheinlich selbst beeindruckt von seinem Vortrag – nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife und blies den Rauch gedankenvoll an die Decke. Diese Pause kam Robert gerade recht.
»Und dies war offenbar der Punkt, der Professore Mazzetti besonders interessierte?«
Badoglio nickte stumm.
»Ja. Er kam oft her, machte sich viele Notizen und versuchte sich in der Übersetzung der etruskischen Schriftfunde. Soweit ich weiß, war er kurz vor seinem Tod in Ägypten. Er hat mir aber nach seiner Rückkehr nichts weiter erzählt. Dennoch bemerkte ich eine gewisse Erregung an ihm.«
»Und seine Notizen«, fragte Robert, »wo sind die geblieben?«
»Die hatte er in einem Schrank verwahrt, den ich eigens für ihn leer geräumt hatte.«
Robert richtete sich auf.
»Dürfte ich die mal sehen?«
Badoglio legte seine Pfeife in einen Aschenbecher und schaute
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