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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sie gleich dutzendweise aus dem Röhricht heraus.
    Die erste Libellenschlange ging auf den großen Wächter los und vergrub ihre Giftzähne in seinem Hals. Mit einem gurgelnden Geräusch und Schaum vor dem Maul sank er nur wenige Schritte vor der Wasserrinne auf die Knie. Die übrigen Flugreptilien griffen den Haupttross an.
    »Du lernst schnell«, sagte Orla grimmig und ließ das Schwert sinken.
    »Ich wünschte, die Lektion wäre mir erspart geblieben«, erwiderte Leo düster.
    »Kann ich verstehen. Ist echt kein schöner Anblick.«
    Er nickte. »Wem sagst du das! Komm, da braucht jemand unsere Hilfe.«
    Schaukelnd rauschte das Boot ins schäumende Meer. Bennos Gebrüll steigerte sich in dem Maße, wie die Spürwale das Tempo erhöhten.
    Orla verdrehte die Augen. »Wieso? Die Dumpfbacke ist doch unsinkbar.«
    Das stimmte. Wären die Umstände nicht so ernst, hätte Leo laut gelacht, als er sich kniend aus dem Kanu lehnte, und dem Pechvogel die Hand entgegenstreckte. Sein Freund tanzte wie ein Korken auf den Wellen. Der Ärmel seines Pullovers war in einer Kerbe hängen geblieben und räufelte sich allmählich auf.
    »Bist du unter die Wasserskiläufer gegangen?«, rief Orla dem Schreihals zu. Sie stützte sich auf Leos Rücken, weil im Heck keine zwei Personen nebeneinander knien konnten.
    »Wir verlieren ihn«, presste Leo hervor. Sosehr er sich reckte,
er kam nicht an die Hand des Freundes heran. Jeden Moment würde sich dessen Ärmel ganz auflösen.
    »Ich weiß nicht, ob das ein großer Verlust wäre.«
    Unvermittelt schwebte Orla über dem dahinrauschenden Boot. Sie ließ sich eine Ärmellänge zurückfallen, sank etwas tiefer und packte den Jungen unter den Achseln. »Mein Güte!«, stöhnte sie bei dem Versuch, ihn anzuheben. »Für eine Heulboje bist du ziemlich schwer. Hilf mir gefälligst mal!«
    Die Nähe des Mädchens flößte Benno offenbar neues Vertrauen ein. Er bezwang die Panik und bekam seinen Willen in den Griff. Gemeinsam erhoben sich die zwei aus dem Wasser. Sie sahen aus wie Tandemfallschirmspringer, nur ohne Fallschirme. Kurz darauf ließ Orla den Rotschopf los und er plumpste ins Boot.
    »Au! Geht’s nicht noch brutaler?«, beklagte er sich.
    »War mir eine Freude, dich retten zu dürfen«, antwortete sie zuckersüß und landete sanft im Heck des Kanus. »Beim nächsten Mal kümmerst du dich selbst darum. Ich bin nicht dein Kindermädchen.«
    Er schlug die Augen nieder. »Sorry, war nicht so gemeint. Und danke.«
    »Bitte«, knurrte sie.
    Leo drehte sich zu ihr um. »Das gilt auch für mich: Danke, Orla.«
    »Ich hätte ihn dem Chaos überlassen sollen. Hoffentlich bereuen wir das nicht.« Sie wandte sich von ihm ab und blickte trotzig aufs Meer hinaus.

L eo stand barfuß am Bug des Kanus. Seine Sneakers trockneten hinter ihm in der Sonne. Das Meerwasser hatte den Schlamm aus dem Schilfwald restlos fortgespült. Die Schuhe waren wie neu. Argwöhnisch beobachtete er die beiden Spürwale, die unermüdlich an den Tauen zogen. Der Ausleger verlieh dem schlichten Gefährt eine erstaunlich stabile Lage.
    Benno schlief im Heck des Kanus. Sein wilder Ritt auf den Wellen hatte ihn ausgelaugt.
    Orla saß in der Mitte und träumte mit offenen Augen vor sich hin. Sie hatte gesagt, ihre zwei Wale seien die einzigen ihrer Art, sofern sie sich nicht inzwischen vermehrt hätten. Atnam war ein Männchen und die etwas grazilere Batoi ein Weibchen. Als kleines Mädchen hatte sie die Tiere entdeckt und sich mit ihnen angefreundet. Leo fand, dass sie Orcas ähnelten. Anders als diese waren sie blau-weiß gezeichnet und hatten ausgeprägte Schnäbel wie Tümmler. Mit ungefähr fünfzehn Metern übertraf Atnam selbst einen stattlichen Großen Schwertwal fast um das Doppelte an Länge. Das Erstaunlichste an den delfinartigen Giganten war jedoch ihr besonderer Orientierungssinn, dem sie ihren Namen verdankten.
    »Sie können jeden Ort in Illúsion finden, zu dem ich sie schicke«, erklärte Orla, als habe sie Leos Gedanken gelesen.

    »Selbst wenn sie noch nie dort gewesen sind?«, erwiderte er skeptisch.
    Sie schmunzelte. »Du fängst schon wieder damit an.«
    »Womit?«
    »Du glaubst mir nicht.«
    »Na ja«, wand er sich. »Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie die Wale eine Insel aufspüren sollen, die sie nicht kennen.«
    »Zugvögel finden auch ihren Weg, obwohl sie ihn noch nie geflogen sind.«
    »Das ist was anderes.«
    »Warum?«
    Er hob die Schultern. »Ich weiß eben, dass Zugvögel so was

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