Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
das Haus im Palastgarten eingekehrt. Larabelle war aus dem Wald gekommen, um ihrer Freundin beizustehen. Sie hatte zu aller Freude die Tiere mitgebracht und einen Käfig voll neuer Helferlein.
Graviata heilte den Kronprinzen und die Königin von Clarisses entstellendem Zauber. Die Königin war wieder wunderschön, allerdings zeigte sie sich noch nicht in der Öffentlichkeit, sie wollte damit warten, bis ihre Haare wieder so lang waren wie zuvor. Prinz Dorvid sah nett aus, nett normal. Das müsse reichen, verkündete er.
Gemeinsam hatten Graviata und Larabelle es geschafft, Ellwin von seiner Klaue zu befreien. Die Hand war noch etwas steif, doch es war wieder eine Hand, sogar einen Stift konnte sie führen. Dann waren die beiden darangegangen, sich bei allen zu bedanken, die den Hexenkindern in der Not beigestanden hatten. Auf ihre Fürsprache hin wurde Manfredo aus dem Kerker entlassen. Graviata gab ihm Geld, womit er eine Tischlerwerkstatt eröffnete. Seitdem verehrte er Graviata wie eine Heilige und schwor, dass er ihr eines Tages das Geld mit Zins und Zinseszins zurückzahlen werde.
Die Rattenkinder waren nach ihrer Flucht aus den Kanälen je nach Alter in den Felsenkerker oder in die Besserungsanstalt gebracht worden. Graviata erwirkte beim Kronprinzen Stipendien für sie, und jetzt gingen sie in eine richtige Internatsschule, bekamen ordentliche Kleidung, gutes Essen und lernten Lesen und Schreiben, zumindest hatten sie die Möglichkeit dazu. Ob sie es wirklich taten, stand in den Sternen. Noch immer waren sie eine wilde, verschworene Bande. Wenn Lulu sie so ansah, wie sie mit Ralf herumalberten und dabei ihre Flasche kreisen ließen, hatte sie fast den Eindruck, als sehnten sie sich ein wenig nach den alten Zeiten zurück. Dven konnte immer noch keine Zischlaute. Aber er hatte gelernt, dass Ralf keine Ratte war. Er bezeichnete ihn jetzt als »Wadbären«.
Churro hatte von seinem Teil der Belohnung, die das Königshaus ihnen allen gezahlt hatte, ein kleines Haus in der Stadt gekauft und ein Atelier eröffnet. Die Königsfamilie hatte Porträts bei ihm bestellt. Seit sich das herumgesprochen hatte, konnte er sich vor Aufträgen kaum noch retten und musste mehrere Lehrlinge einstellen. Wenn das so weiterging, würde er bald ein reicher Mann sein. Er wusste nicht genau, ob er es mochte, ein reicher Mann zu sein, doch als er das Leuchten in Rafaelas Augen sah, beschloss er, es zu mögen.
Ellwin hatte mit seinem Geld nicht etwa, wie alle ihm angeraten hatten, sein Haus renovieren lassen, sondern Tonnen von neuen Büchern gekauft. Alle tippten sich an die Stirn, wenn sie davon sprachen. Lulu konnte ihn sehr gut verstehen.
Else hatten sie nicht mehr gesehen. Im Palast erzählten die Dienstboten, dass sie nicht lange im Felsenkerker habe bleiben müssen. Aber sie war aus der Stadt verschwunden, vielleicht schämte sie sich ihres Verrats und wollte niemanden, der davon wusste, je wiedersehen.
Fuchs, der alte Gauner, saß immer noch im Kerker, für ihn hatte Graviata nichts tun können. Er sei ein Dieb und ein Räuber, vielleicht sogar Schlimmeres, hieß es, eine lange Zeit im Felsenkerker sei ihm gewiss.
Eine lange Zeit im Kerker war auch Clarisses Schicksal. Eine sehr lange Zeit, eine endlose Zeit, hoffentlich. Noch immer hatte Lulu Albträume und noch immer wachte Bumbum nachts schreiend auf und wand sich in Krämpfen. Allein schon dafür hatte Clarisse immerwährende Qualen verdient, fand Lulu. Von Anassia Bolin, Clarisses anderem Opfer, ganz zu schweigen. Die Ärmste hatte sich noch nicht erholt. Ihre Hochzeit mit dem Kronprinzen hatte auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen. Natürlich waren die Kratzer, die ihr Gesicht vom Kampf mit Ralf davongetragen hatte, längst verheilt, ebenso die Schusswunde im Arm. Aber die tiefen Wunden in ihrer Seele heilten nicht so schnell. Selten nur konnte sie fröhlich sein, meistens saß sie still in einem Winkel und schaute teilnahmslos vor sich hin oder starrte in den Himmel. Vielleicht suchte sie ihren Falken. Er war nicht zu ihr zurückgekehrt. Kaum hatte man ihm das Häubchen entfernt, war er auch schon davongesaust. Man erzählte, dass er über dem Gipfel des Felsenkerkers kreise, gefangen in der Treue zu seiner bösen Herrin.
Und die Hexenkinder? Bumbum war vier Jahre alt und kannte fast alle Wörter. »Bumbum« sagte er nur noch, wenn er seinen Namen nannte. Lulu wusste, dass der Tag kommen würde, wo er darauf bestehen würde, dass man ihn bei seinem
Weitere Kostenlose Bücher