Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
Vom Netzwerk:
spiegelnde Linsen angesehen. Bring mir Blut von allen Jungen in diesem Viertel.« Er räusperte sich. »Vielleicht findest du heraus, wer in der letzten Nacht unterwegs war. Ich gebe dir für jede Scherbe mit Blut dreißig Kreuzer.«
    Luuk lächelte. Das waren zwei warme Mahlzeiten mit Bier.
    »Wenn du den Richtigen gefunden hast, gebe ich dir vierzig Silbergulden.«
    Luuk konnte ein überraschtes Keuchen nicht unterdrücken. In seinen besten Zeiten hatte sein Vater dafür zwei Monate gearbeitet. Jetzt waren es mindestens drei oder vier. Er selbst bekam in der Lehre nur einen Bruchteil des Lohns eines Schiffbauers, der kaum für seine Kleidung und Essen reichte.
    »Kann ich Euch trauen?«, fragte Luuk den Fremden. »Habt Ihr so viel Geld?«
    Der Mann schlug mit der Hand gegen seinen Umhang. An seiner Hüfte klimperten Geldstücke in einem Beutel.
    »Bring mir die Scherben und du wirst deinen Lohn bekommen. « Er drehte sich um und ging.
    »Wo finde ich Euch? Wohin soll ich sie bringen?«, rief Luuk ihm hinterher.
    Der Mann drehte sich um und sah ihn an. »Ich bin Heinrich Sehfeld, der Spiegelmacher. Komm abends in meine Werkstatt.« Dann verschwand er in der Dunkelheit.
    Luuk betrachtete seine abgelaufenen Stiefel, die vor dem Herbst dringend neue Sohlen brauchten. Warum sollte er sich nicht etwas von dem Reichtum des Weißhaarigen zu eigen machen, wenn sich ihm die Möglichkeit bot? Die Jungen des Viertels würden einen kleinen Schnitt in der Hand verschmerzen, und ihm brachte es warme Füße für den Winter und einen weiteren Grund, sich mit seinen Freunden auf Nik zu stürzen. Denn Luuk wusste genau, wer in der vergangenen Nacht in diesem Viertel unterwegs gewesen war.

Als sein Vater ihn in der Nacht verlassen hatte, war Nik noch stundenlang aufgeregt durch sein kleines Zimmer gewandert. Er hätte alles dafür gegeben, einen Augenblick auf dem Dach zu sein. Immer, wenn er auf Amsterdam herunterblickte, fand er einen Weg für die aussichtsloseste Situation und eine Antwort auf alle Fragen. Doch es hatte angefangen zu regnen und dann war es lebensgefährlich glatt auf den feuchten Dachschindeln. Nach der Beerdigung seiner Brüder hatte es ebenfalls stundenlang geregnet, doch Nik hatte die bedrückte Stimmung im Haus nicht mehr ausgehalten. Er war auf Händen und Knien über das ganze Dach gerutscht und hatte sich gerade noch an der Winde festhalten können, bevor er in die Tiefe gestürzt wäre. Seine Mutter hätte ihm das niemals verziehen. Der Schrecken saß Nik danach noch Tage in den Knochen und die aufgeschürften Hände hatte er nur mit Mühe vor seiner Mutter verbergen können.
    Der Morgen dämmerte, als sich Nik hilflos auf sein Bett fallen ließ. Er wusste einfach nicht, womit er seine Eltern umstimmen könnte. Nik fluchte und trat mit den Füßen nach der Truhe am Bettende. Seit Jahren sehnte er sich nach einem Abenteuer, und jetzt, wo eine gefährliche Gilde nach Amsterdam kam, musste er die Stadt verlassen, um der Handlanger eines englischen Wollhändlers zu werden. Was für eine Ungerechtigkeit! Irgendwann fiel Nik in einen unruhigen Schlaf und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Im Traum sah er Benthe mit enttäuschtem Gesicht am Steg stehen und immer kleiner werden, und er wollte sich über die Reling stürzen, um zu ihr zurückzuschwimmen. Nik fuhr hoch, als Frans seinen grauen Kopf zur Tür hineinsteckte und laut seinen Namen rief. Der alte Mann zog die Truhe scharrend über den Holzfußboden und polterte damit die Treppe nach unten.
    Einen Augenblick blieb Nik verwirrt im Bett sitzen. Dann wischte er sich mit dem Ärmel über die feuchte Stirn, schwang sich aus dem Bett und steckte die Finger in die Schüssel auf seinem Waschtisch. Der Stoff, mit dem seine Schnitte verbunden worden waren, sog sich mit dem kalten Wasser voll, und seine Wunden brannten. Mit einem Schaudern tauchte er kurz sein Gesicht in die Schüssel, um die Geister der Nacht zu vertreiben, zog sich an und sah aus dem Fenster.
    Graue Wolken hingen über den nassen Dächern. Es war zu gefährlich, mit den Verletzungen an Händen und Knien bis auf den Dachfirst zu klettern. Er würde für lange Zeit ohne den Blick auf die Stadt und den Hafen auskommen müssen und dieser Gedanke bereitete ihm Magenschmerzen. Langsam trottete er die Treppe hinunter.
    Als er die Küche betrat, reichte ihm Amilia mit Tränen in den Augen ein Bündel. Es roch nach Schinken, Käse und Brot. Sie hängte ihm eine Flasche mit einem Lederband über

Weitere Kostenlose Bücher