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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
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Puppenspieler lächelte traurig. »Ich suche nicht mehr. Ich verabschiede mich.«
    »Warum?«
    »Ich ziehe in unsere alte Heimat im Norden. Ich komme nicht zurück. Nie wieder.«
    Nik wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
    Der Puppenspieler hob einen Sack auf, der neben dem Eingang auf dem Boden gelegen hatte, und schulterte ihn. Dann trat er auf die Straße.
    Nik sah sich noch einmal um, aber in der Werkstatt gab es nichts mehr zu entdecken und er folgte dem Mann. Der Puppenspieler warf den Sack auf den Rücken des Pferdes, an dem schon einige Bündel und Körbe befestigt waren.
    Die Sonne schob sich durch die graue Wolkendecke und warf Frühlingslicht in die Straße. Rechts neben der Werkstatt erhob sich ein Lagerhaus, auf der anderen Seite ragte ein Turm über das hohe Dach hinaus.
    Irgendetwas störte Nik an dem Bild. Er starrte zu den Dächern hinauf. Der Turm war rund gemauert und seine Spitze ragte nicht stolz in die niedrigen grauen Wolken hinein, sondern duckte sich rund wie der Buckel einer alten Frau.
    »Das ist ein seltsamer Kirchturm«, wunderte er sich.
    Der Puppenspieler drehte sich zu ihm um.
    »Das ist ein Gildehaus.«
    Nik runzelte die Stirn. Er hatte schon viele prunkvolle Versammlungshäuser gesehen, die mit eigenen Kirchräumen ausgestattet waren, in denen für die Belange der Gilde und die verstorbenen Mitglieder gebetet wurde. Doch dieses Haus war ungewöhnlich schlicht gemauert und unterschied sich kaum von den unzähligen kleinen Kirchen, die sich über London verteilten.
    »Welcher Gilde gehört es?«, fragte Nik.
    Der Puppenspieler deutete auf die Verzierungen über der Tür und hob die Hand zum Gruß, bevor er sich auf sein Pferd schwang und zwischen den Händlern und Kaufleuten verschwand, die durch die Straßen liefen.
    John schob ein marodes Brett zur Seite und stieg niesend in Flamberts Werkstatt. Mit dem Ärmel wischte er sich den Rotz aus dem Gesicht, der ihm unaufhörlich aus der Nase gelaufen war. Langsam streckte John die Arme und dehnte den schmerzenden Rücken. Nik hatte die Werkstatt gefunden, aber leider war ihm der Bärtige zuvorgekommen. Erst hatte er gehofft, der Mann würde ihm die Arbeit abnehmen, doch der hatte von dem Jungen abgelassen und den Arm mit dem Messer gesenkt. Diesen Mann hatte er noch nie zuvor gesehen. Wenn er Heinrich von ihm berichten würde, gab der sicher den Befehl, auch ihn zu beseitigen. Mit Grauen dachte er an die Berge im Norden und die wilden Clans, um deren Fehden sich in manchen Kreisen legendäre Geschichten rankten, die selbst den Tapfersten unter ihnen unruhige Träume bescherten. Der Bärtige hatte vor, dort oben zu bleiben, und dort konnte er keinen Schaden anrichten. Es gab also keinen Grund, Heinrich von dem neugierigen Mann mit dem Messer zu berichten, der ihm heute in die Quere gekommen war.
    John trat hinter die marode Tür und sah durch die Risse im Holz auf die Straße. Die beiden blickten für einen Moment zum Gildehaus hinüber, dann ritt der Bärtige auf seinem Pferd davon, während Nik noch einen Augenblick vor dem Turm der Versammlungshalle stehen blieb, bevor auch er sich entfernte.
    In seinen Augen leuchtete etwas, das sich nicht wieder löschen ließ. In ihm brannten die Sehnsucht nach Wahrheit und die jugendliche Gier nach unendlichem Wissen. John kannte dieses Brennen, weil er es unzählige Male bei den Männern der Gilde gesehen hatte. Irgendwie hatten sie diese jugendliche Leidenschaft nie verloren und waren dadurch zu Meistern ihrer Zunft geworden. Der Junge trat zu seinem Karren und schob ihn forschen Schrittes die Straße entlang.
    Der Mann kratzte grimmig die juckende Kopfhaut und seufzte. Es war unvermeidbar. In dieser Nacht musste der Junge sterben.
    Luuk klopfte nicht an. Er öffnete die Tür und trat in die seltsame Werkstatt von Heinrich Sehfeld ein. Wie immer starrte er zuerst auf die blanken Fliesen unter sich, weil er Angst hatte, Späne aus der Werft oder den Dreck der Straße auf dem sorgsam gereinigten Boden zu verteilen.
    Heinrich stand an einem Tisch und hatte den Oberkörper weit darüber gebeugt.
    Luuk betrachtete den langen Rücken und das weiße Haar. Er fragte sich, wie alt der Mann sein mochte.
    »Luuk«, sagte der Spiegelmacher, ohne sich umzudrehen.
    Der Junge zuckte beim Klang seines Namens zusammen. Er konnte sich nicht an den Empfang in Heinrichs Werkstatt gewöhnen. Vermutlich hatte der Spiegelmacher sein Gesicht in einem der zahlreichen Spiegel an den Wänden entdeckt, doch das machte es

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