Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
Vom Netzwerk:
aufgegessen und nicht ein einziges Wort des Dankes. Ich werde weiterziehen, und Ihr schert Euch zum Teufel!"
    aus Lachender Jack
    A enshaw House war wohl das schönste Haus, das Sally je gesehen hatte. Sie war noch immer wie in Ehrfurcht erstarrt. Jesses! Spiegelnde Böden aus schwarzem und rosa Marmor, kunstvoll gearbeitetes Mobiliar, so schön, dass man es kaum berühren mochte, Stühle, deren Beine so fein gedrechselt waren, dass sie wie Zahnstocher aussahen, und überall elegant bestickte Seide, Samt und Brokat: endlose Draperien, mehr, als es jemals bräuchte, um Fenster, Bett oder Kanapee zu bedecken, prachtvoller Überfluss, wohin das Auge schaute. Oh ja, Mr Flemings Haus war auch schön gewesen, aber das hier ... das hier war prächtig. Es war fast, als würde man im Palast Seiner Majestät leben — so schön war es!
    Und welch beachtlicher Schritt hinauf, fort von Seven Dials, wo sie geboren und den Großteil ihres Lebens verbracht hatte. Wenn man das überhaupt Leben nennen konnte, von morgens bis abends Pferdemist und Hundekot aufzulesen und was sich sonst noch finden und zu Geld machen ließ, aber gerade einmal für einen Kanten Brot und ein winziges Stück knorpeliges Fleisch reichte. Wenn sie Glück hatte. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr hatte sie das mitgemacht — dann war Pa auf die Schnapsidee gekommen, sie an seinen Freund Pinky verkaufen zu wollen. Pinky war ein großer Kerl von einem Mann, der schrecklich stank und nicht einen Zahn mehr im Mund hatte. Sie hatte ein Leben vor sich gesehen, in dem sie immerdar von morgens bis abends den Dreck der Straße auflesen würde, ein Leben voller Kummer und Leid, wenn sie Pinky heiratete. Irgendwann würde sie sterben, viel zu jung und ohne jemals aus diesem Elend herausgekommen zu sein.
    Noch in derselben Nacht war Sally von zu Hause fortgelaufen, um ihr Glück als Küchenmädchen zu versuchen. Flink, schlau und anstellig war sie gewesen, und als die Köchin in ein größeres, besseres Haus gewechselt war — in das von Mr Fleming — hatte sie Sally mitgenommen. Und Sally hatte ihr alle Ehre gemacht und hart gearbeitet. Sie hatte es stets zu verhindern gewusst, sich allein mit einem Lakaien oder Schlachterjungen wiederzufinden, denn ein Kind zu bekommen, war wirklich das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Sie hatte sich sauber und adrett gehalten und stets die Ohren gut aufgesperrt. So hatte sie den Flemings abgelauscht, wie sie sprachen, und nachts, wenn sie neben Alice im schmalen Dienstmädchenbett gelegen und Alice wie ein Holzfäller geschnarcht hatte, hatte sie Worte und Betonungen, die sie unten aufgeschnappt hatte, so lange leise wiederholt, bis ihre Aussprache fast ebenso tadellos war wie die von Miss Fleming.
    Als dann die Zeit gekommen war — der Hausdiener Bob war ganz außer Atem in die Küche gekommen und hatte verkündet, dass Miss Fleming, die doch nun wahrlich keine Schönheit und so trübsinnig noch dazu sei, also, dass ausgerechnet Miss Fleming sich einen Viscount geangelt hätte —, da war Sally bereit gewesen. Ruhig und bedächtig hatte sie die Wäsche zusammengefaltet, die sie gerade gestopft hatte, und hatte sich dann aus der Küche nach oben geschlichen, um bei Miss Fleming vorstellig zu werden.
    Und hier war sie nun! Als Kammerzofe einer Viscountess! Wenn sie jetzt noch lernen könnte, all die Korridore und Türen, Aufgänge und Durchgänge in diesem großen, herrschaftlichen Haus auseinanderzuhalten, wäre alles bestens. Sally zog ihre Schürze straff und stieß eine Tür im Dienstbotenkorridor auf. Wenn sie sich nicht verrechnet hatte, müsste sie genau vor den Gemächern ihrer Herrschaft herauskommen. Sie spähte hinaus. Ein weiter Flur mit dunklen, holzgetäfelten Wänden und einem rotschwarz gemusterten Teppich. So sahen leider fast alle Flure in Renshaw House aus. Weshalb Sally, gewitzt, wie sie war, einen kurzen Blick nach rechts warf, wo die kleine skandalöse Statue aus schwarzem Marmor stehen müsste, die einen ziemlich behaarten Gentleman darstellte, der über eine splitterfasernackte Dame herfiel. Und siehe da — da stand sie, die Skulptur. Sie war ihr gleich am ersten Tag aufgefallen — war ja auch wirklich kaum zu übersehen —, und sie hatte sich gemerkt, dass sie vor den Gemächern des Viscounts stand. Sally nickte zufrieden und schloss die holzgetäfelte Tür hinter sich. Dann blieb sie vor der Statue stehen und versenkte sich in deren Betrachtung.
    Beide Figuren waren nackt, doch das schien der Dame

Weitere Kostenlose Bücher