Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
umdrehe, ist Ethan ebenfalls aufgestanden. Die Delle, die ich in die Wand geschlagen habe, ist noch da, und ich überlege, wieder meine Faust hineinzurammen.
»Holen wir unseren Kram ab, ehe es anfängt zu regnen«, sagt Ethan, der durchs Fenster nach draußen sieht.
Ich lasse meine Fingerknöchel knacken und gehe zur Tür. »Guter Plan.«
ELLA
Ich finde meinen Dad in der Kneipe. Es ist der erste Ort, an dem ich suche, und ich bin enttäuscht, dass es so leicht war. Lila wartet im Wagen auf mich, weil ich sie darum gebeten habe. Als ich in die Kneipe komme, sehe ich ihn gebeugt auf dem Barhocker, eine leere Tasse vor sich. Denny, der Barmann, wischt den Tresen mit einem Lappen. Als er mich an der Tür sieht, hebt er eine Hand.
»Ich muss deinen Ausweis sehen, ehe du noch weiter reinkommst.« Er wirft sich den Lappen über die Schulter und kommt um den Tresen herum auf mich zu.
»Ich bin’s, Denny«, sage ich. »Ella Daniels.«
»Was denn? Du bist zurück!«
Ich nicke. »Ja, aber nur über den Sommer.«
Er fährt sich mit den Fingern durch die braunen Locken. »Wo warst du überhaupt? Keiner hatte einen Schimmer, wo du abgeblieben bist.«
»In Las Vegas auf dem College«, antworte ich und zeige zu meinem Vater. »Ich bringe ihn wohl lieber nach Hause.«
Denny sieht ebenfalls hin. »Er ist heute Morgen hier reingestolpert, als ich noch gar nicht aufhatte. Aber er war zu abgefüllt und hat nicht gehört, was ich ihm sage.«
»Ich bringe ihn nach Hause«, wiederhole ich. Denny lässt mich vorbei. »Tut mir leid, dass er dir so viel Ärger macht.
Denny legt den Lappen auf dem Tresen ab und hilft mir, Dad auf die Beine zu stellen. Er stinkt, als hätte er in Jack Daniels gebadet.
»Mir macht es nichts aus, dass er hier ist, Ella«, sagt Denny. »Aber allmählich bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Seit einigen Monaten kommt er immer öfter, und ich glaube, dass er vielleicht ein Problem hat.«
»Das hat er schon länger.« Ich hänge mir Dads einen Arm über die Schultern, Denny sich den anderen.
Mein Dad murmelt unzusammenhängendes Zeug: erst, dass er nicht gehen will, dann, dass er sie vermisst und dass es aufhören soll. Wir schleppen ihn nach draußen, wo Lila aus dem Auto springt und wortlos verfolgt, wie Denny und ich meinen Dad auf die Rückbank des Firebirds hieven.
Mit einsetzendem Regen zucken Blitze über den Himmel.
»Danke für deine Hilfe«, sage ich zu Denny und schirme meine Augen gegen die Tropfen ab.
Denny reibt sich den Nacken. »Habt ihr mal überlegt, ihm Hilfe zu besorgen?«
»Was meinst du? Einen Entzug?«, rufe ich über den grollenden Donner hinweg.
Er zuckt mit den Schultern. »Oder die Anonymen Alkoholiker. Irgendwas, das ihm hilft, sein Leben wieder in die Spur zu kriegen.«
Verwirrt kratze ich mich am Kopf. Warum ist mir das nicht eingefallen? Panik verengt mir die Kehle, weil mich die Schuldgefühle wegen meiner Mom einholen.
»Denk einfach mal drüber nach«, sagt Denny und klopft mir auf den Arm. »Und falls du Hilfe brauchst, weißt du ja, wo du mich findest.«
Ich danke ihm nochmal und springe in den Wagen. Ich fürchte schon, dass Lila etwas sagt, doch als sie den Mund öffnet, kommt nicht das heraus, was ich erwartet hatte.
»Meine große Schwester war drogensüchtig«, sagt sie hastig. »Ungefähr ein Jahr lang.«
Eben hatte ich noch nervös auf meinem Kaugummi gekaut, doch jetzt erstarre ich. »Das habe ich nicht gewusst.«
»Nein, woher auch? Es weiß so gut wie keiner. In meiner Familie achtet man sehr darauf, die schmutzige Wäsche für sich zu behalten.« Sie dreht sich zu meinem Dad um, der auf der Rückbank schnarcht. »Ich erzähle es dir nur, damit du weißt, dass ich verstehe, wie hart es ist zuzuschauen, wie sich jemand kaputt macht, den man mag.«
In unserer Straße sprüht Wasser aus den tiefen Pfützen in den Schlaglöchern auf und spritzt über die Kühlerhaube und die Seiten. »Warum hast du mir das nicht früher gesagt?«
»Warum hast du nie etwas von deinem Dad erzählt?«
»Weiß ich nicht.« Wer ist dieses Mädchen neben mir? »Also macht dir mein Leben keine Angst?«
Sie zieht die Brauen hoch und lehnt sich ein bisschen vor. »So weit würde ich nicht gehen, aber dein Privatleben tut es nicht.«
Als wir in unsere Einfahrt einbiegen, bemerke ich drei große Bierfässer auf Michas hinterer Veranda. Das Garagentor ist weit offen und sein Wagen nicht da. Inzwischen gießt es in Strömen, sodass der Gehweg überflutet ist, und der Baum
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