Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
übrig. Und jetzt du, Sportsfreund?«
»Ich spiele Fußball, Baseball und Basketball.«
»Mein lieber Junge, das ist hier kein Trainingslager …«
Garrison seufzte, blickte auf sein Pult und flüsterte: »Ich habe Angst vor Wasser - Schwimmbäder, Seen, Flüsse, Meere.«
»Im Jahr 2003 sind 3306 Menschen ertrunken«, warf Theo selbstsicher ein.
»Und die junge Dame, die so die Augen verdreht - wovor hast du Angst?«
»Ich habe Klaustrophobie und das ist ein hochgestochener Ausdruck dafür, dass ich schreckliche Angst vor engen Räumen habe. Aber wir können auch einfach sagen, ich liebe Fenster über alles.«
»Ich habe nicht die gesamte Statistik über enge Räume im Kopf, aber ich weiß, dass im Jahr 2003 46 Menschen durch einstürzende Decken und so was umgekommen sind«, sagte Theo ernsthaft. »Das hat etwas miteinander zu tun, denn durch Einstürze können ja enge Räume entstehen.«
»Warum zitierst du denn die ganze Zeit diese grässlichen Statistiken?«, schrie Lulu Theo an. »Und warum
stammen alle deine Daten aus dem Jahr 2003? Hast du keine neueren parat?«
»Der letzte Bericht des Nationalen Sicherheitsrates in meiner Bücherei ist von 2003«, murmelte Theo.
Mrs Wellington ging, als würde sie von dem Streit gar nichts mitbekommen, auf Lulus klaustrophobische Ängste ein.
»Ich bin einmal mit dem Aufzug stecken geblieben und musste 26 Stunden darin ausharren. Der Aufzug war so voll, dass ich mich in keiner Richtung mehr als fünf Zentimeter bewegen konnte.«
»Haben Sie nicht das Notruftelefon benutzt?«, fragte Lulu.
»Ach, du musst noch sehr viel lernen! Diese Telefone sind doch immer nur zur Dekoration da, wie Bilder an der Wand oder ein Stoppschild an der Straße«, sagte Mrs Wellingon und hielt dann inne, um sich in Ruhe an das traumatische Erlebnis zu erinnern. »Wir dachten damals alle 16, wir müssten im Stehen sterben, und das wünscht sich niemand. Wenn ihr je die Wahl habt, dann sterbt auf alle Fälle lieber im Liegen. Für uns gab es damals diese Möglichkeit natürlich leider nicht, weil es so eng war. Ich muss sagen, diese 26 Stunden haben uns zusammengeschmiedet. Wir haben uns danach jedes Jahr beim ›Doch-noch-nicht‹-Treffen wiedergesehen, aber …«
»Beim ›Doch-noch-nicht‹-Treffen?«, fragte Lulu verwundert.
»Das waren wundervolle Begegnungen mit Menschen, die alle durch ein gemeinsames Erlebnis miteinander verbunden waren: Sie wären beinahe gemeinsam gestorben. Die meisten neuen Mitglieder gewannen wir durch Kontaktaufnahme nach entsprechenden Zeitungsberichten oder gelegentlich sogar in der Notfallaufnahme.«
»Verzeihung, Mrs Wellington?«, sagte Lulu selbstbewusst. »Welche Qualifikationen haben Sie eigentlich?«
»Ja, ich bin auch sehr neugierig, wo Sie diesen speziellen Lehrstoff gelernt haben«, pflichtete ihr Madeleine bei.
»Eine Schönheitskönigin ist allzeit bereit und dazu gehört auch, dass sie ihren Lebenslauf auswendig kann. Also, ich war Miss Teen USA, Miss Massachusetts, Miss New England, Miss Green County und natürlich Miss Summerstone. Habt ihr die Bilder unten nicht gesehen? Ich würde euch ja gerne meine Krönchen zeigen, aber in der Vergangenheit ist es schon zu Diebstählen gekommen. Meist war es Schmidty, der sie ausgeliehen hat, aber dennoch.«
»Ich meinte Ihre Qualifikationen, uns zu unterrichten!«, sagte Lulu laut.
»Ach, du dummes Mädchen. Lehrer brauchen keine Qualifikationen. Das sind Ammenmärchen.«
»Also haben Sie keine staatlich anerkannten Qualifikationen für diesen Kurs gegen Ängste?«, fragte Madeleine schockiert.
»Ich versichere dir, man braucht keine Qualifikationen, wenn man ein Angstlabor hat.«
»Ein was?«, fragte Garrison.
»Ein Labor, in dem man mit seinen Ängsten experimentieren kann.«
»Übungen, ob körperlicher oder mentaler Art, in der Wirklichkeit oder in der Vorstellung, sind ein wichtiger Teil des Programms«, verkündete Mrs Wellington und schloss die verblichene Sperrholztür zum Angstlabor auf.
»Gibt es dort Laufbänder und Hanteln? Ich würde nämlich gerne gut in Form bleiben, solange ich hier bin«, fragte Garrison Mrs Wellington.
»Leider nicht, Sportsfreund.«
Garrison seufzte und schaute weg, als Mrs Wellington die Tür aufdrückte.
Der Raum war etwa halb so groß wie ein Basketballspielfeld, hatte einen glänzenden Holzfußboden und sah beinahe wie eine Turnhalle aus. Was ihn davon grundlegend unterschied, war seine Einrichtung. Eine ganze Wand war mit ledergebundenen
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