Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
aufmachen«, sagte sie ruhig.
Garrison legte den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund. Er atmete Mrs Wellington keine Luft ins Gesicht, sondern ließ sie reglos riechen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er fürchtete, er sei mit der Zahnbürste nicht weit genug auf der Zunge nach hinten gekommen. Die Sache war heikel, denn wenn man zu weit nach hinten kam, konnte der Brechreiz siegen - und das war auf keinen Fall gut für reinen Atem.
Mrs Wellington drehte den Kopf von Garrison weg und atmete langsam durch die Nase ein. Die Zeit schien stillzustehen, während sie seinen Atem begutachtete wie ein Wissenschaftler einen Laborbefund.
Schließlich nickte die alte Dame. Sie rückte ihr kleines Seersucker-Hütchen zurecht und ging zu Madeleine weiter. Obwohl der Geruch ihres Atems leicht durch den Schleier drang, hob ihn Madeleine über ihren Mund. Mrs Wellington nickte rasch und überprüfte dann Lulu und Theo. Bei beiden nickte sie zu deren Erleichterung zufrieden.
»Sehr gut, Teilnehmer. Eine Schönheitskönigin ist nämlich nicht nur allzeit bereit, sondern sie unterhält sich auch nicht mit Leuten mit schlechtem Atem«, sagte Mrs Wellington, als Schmidty und Makkaroni mit einer Platte Rührei, Muffins und Orangensaft hereinkamen. »Machen Sie den Mund auf, Alterchen.«
»Gnädige Frau, ich bin kein Schüler dieser Einrichtung. Ich muss mich solchen Tests ja wohl kaum unterziehen.«
»Sie sind vielleicht kein Teilnehmer, aber ich bin eine Schönheitskönigin. Und was sage ich immer?«
»Man fragt eine Schönheitskönigin nie nach ihrem Alter?«
»Nein«, antwortete Mrs Wellington kurz.
»Nimm stets eine Ersatzperücke mit?«
»Nein.«
»Stimme deinen Lidschatten auf deine Kleidung ab?«
»Hören Sie, Alterchen, Sie wissen ganz genau, dass ich immer sage, eine Schönheitskönigin unterhält sich nicht mit Leuten mit schlechtem Atem.«
»Wie Sie meinen, gnädige Frau.«
»Also, jetzt machen Sie den Mund weit auf.«
»Also gut, gnädige Frau. Aber ich glaube, Sie sollten wissen, dass ich bereits die Inschrift für Ihren Grabstein bestellt habe: ›Stets so stilvoll wie verrückt.‹«
»Guter Mann, planen Sie bereits meine Beerdigung?«
»Schon seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben.«
»Ich habe stets Ihren Weitblick bewundert.«
Schmidty saß inzwischen am Tisch, hielt mit einer Hand seine Turbanfrisur fest und beugte sich nach hinten.
»Denken Sie daran, schlechter Atem ist ein Zeichen dafür, dass noch Bakterien da sind, und das ist keineswegs wünschenswert.«
Mit zuckersüßem Lächeln beschnupperte Mrs Wellington das Innere von Schmidtys Mund und nickte.
»Seht ihr, wie viel ihr schon gelernt habt!«, sagte Mrs Wellington.
»Was denn? Unsere Zähne zu putzen?«, höhnte Lulu.
»Es tut mir leid, dass ich stören muss, aber ich glaube, ich sollte meine Familie anrufen und hören, ob alles in Ordnung ist. Es könnten inzwischen eine Menge schrecklicher, fürchterlicher und grässlicher Dinge passiert sein. Kann ich bitte telefonieren?«
Garrison begann plötzlich wegen seiner Lüge vom
Abend vorher zu schwitzen. Es war vollkommen logisch, anzunehmen, dass ein Telefon im Haus war. Warum raste dann nur sein Herz so?
»Natürlich, Pummelchen. Du kannst in deiner Vorstellung telefonieren, sooft du willst«, sagte Mrs Wellington mit einem Lächeln. »Ich weiß, dass viele Teilnehmer sehr gerne plaudern.«
Garrison atmete erleichtert auf, bis ihm bewusst wurde, dass Mrs Wellington gesagt hatte in der Vorstellung .
»Was meinen Sie mit in deiner Vorstellung ?«, fragte Garrison und schwitzte noch mehr.
»Es gibt hier oben keinen Telefonanschluss, deshalb können Telefongespräche nur in der Vorstellung stattfinden.«
»Aber es gibt doch Telefone im Haus?«, stieß Garrison nervös hervor.
»Oh ja«, antwortete Mrs Wellington.
»Warum haben Sie Telefone, wenn es keine Anschlüsse gibt?«, wollte Theo wissen.
»Mir gefällt der Anblick von Telefonen«, sagte Mrs Wellington. »Und gelegentlich rufe ich mich an und frage nach, wie es mir geht.«
Garrison starrte die wunderliche alte Dame an.
»Haben Sie wenigstens einen Computer oder einen PDA? Also so was wie einen BlackBerry? Oder Sidekick? Irgendetwas in der Art?«, fragte Theo verzweifelt.
»Nichts dergleichen! Kein Fernsehen, keine Computer, keine Telefone! Die einzigen Zugeständnisse an die moderne Zeit sind fließendes Wasser und Elektrizität, und auch die habe ich nur installieren lassen, weil mir Ersteres
Weitere Kostenlose Bücher