Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
fünfzehn Minuten Zeit, um euch zu waschen und anzuziehen, dann gibt es Frühstück. Achtet dabei besonders auf eure Zähne. Ich empfehle euch auch, Mundwasser zu benutzen, denn Mrs Wellington kann schlechten Atem nicht ausstehen. Beim geringsten Hinweis auf schlechten Atem wird sie euch den Mund mit Backpulver und Essig ausschrubben.«
»Verstanden, Schmidty!«, rief Lulu von ihrem Bett aus und wandte sich dann der tief deprimierten Madeleine zu. »Sie hat Angst vor morgendlichem Mundgeruch? Na, super. Ich habe Angst vor ihrem kahlen Kopf.«
»Ach komm, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du bist doch ihr Liebling.«
In dem gelben Badezimmer mit grünen Farbakzenten stieß Lulu auf zwei benommene Jungen im Schlafanzug und Makkaroni. Noch im Halbschlaf putzten sich Theo und Garrison ganz gründlich die Zähne.
»Was hat der Hund hier zu suchen?«, fragte Lulu. »Und warum hat er einen Schlafanzug an?«
»Also, ich weiß nur, dass ich ihn beim Aufwachen an mich drückte«, sagte Theo, wobei ihm ein ganzer Schwall Zahnpasta aus dem Mund kam. »Oder vielmehr drückte Makkaroni sich an mich.«
»Hör auf zu reden und putz dir die Zähne«, ermahnte
Garrison Lulu. »Hey, Maddie, komm schon rein, wir müssen in weniger als fünf Minuten unten sein.«
Dass Garrison sie ›Maddie‹ nannte, beflügelte sie. Sie kam zu den anderen ins Bad. Vier kleine Gesichter erschienen im Spiegel und das Geräusch von eifrigem Bürsten erfüllte den Raum.
Die unterschiedlichen Arten des Bürstens entsprachen dem jeweiligen Temperament der Kinder: Madeleine bevorzugte eine langsame und gründliche Technik, bei der sie jeden Zahn einzeln von vorn und von hinten schrubbte, ehe sie zum nächsten überging. Lulu war weniger systematisch und fuhr sich hastig kreuz und quer mit der Bürste im Mund herum. Garrison bürstete sich als Zeichen seiner Stärke kräftig die Zunge und musste seinen Würgereflex unterdrücken. Theo gab alle paar Sekunden neue Zahnpasta auf seine Bürste. Offenkundig war ihm die empfohlene Erbsengröße viel zu wenig.
Minuten später saßen alle vier mit sichtlich hastig übergezogenen Kleidern am Tisch des Speisezimmers und hörten die Krähen achtmal krächzen. Sie wölbten die Handflächen vor dem Mund und versuchten, so gut es ging, ihren eigenen Atem zu riechen. Leider ist das beinahe unmöglich.
Da Lulu nicht wusste, was am zweiten Tag auf sie alle zukommen würde, begann es, hinter ihrem linken Auge leicht zu pulsieren, was immer vor dem Zucken
kam. Sie rieb sich so heftig die Augen, dass sie Lichtfunken vor sich sah, als sie sie wieder öffnete. Lulu drehte das Gesicht zum Fenster und schnappte nach Luft. Ein Mann. Ein abstoßend hässlicher Mann spähte durch das Fenster. Noch ehe Lulu etwas sagen konnte, huschte ein Lichtfleck durch ihr Blickfeld und sie konnte das Gesicht des Mannes nicht mehr erkennen.
Beunruhigt schloss Lulu die Augen und zählte bis zehn. Als sie im Geiste der Zehn näher kam, merkte sie, dass ihr in jedem Fall unlieb war, was sie sehen würde. War er noch da, würde sie in Panik verfallen. Und war er weg, hieß das, dass sie fantasiert hatte, was genauso beängstigend war. Langsam öffnete sie die Augen und bemerkte sofort eine Topfpflanze genau an der Stelle, an der sie das entstellte Gesicht gesehen hatte. War es möglich, dass sie die Topfpflanze mit dem verunstalteten Gesicht eines Mannes verwechselt hatte?
»Ich … ich habe …«, stotterte Lulu, aber dann wurde ihr bewusst, wie verrückt ihre Worte klingen würden. »Ich, äh, ich habe überlegt, ob vielleicht jemand meinen Atem prüfen könnte.«
»Auf keinen Fall«, erwiderte Garrison.
»Wenn es unbedingt sein muss, aber lieber nicht«, antwortete Madeleine diplomatisch.
»Beug dich rüber, ich schnuppere mal«, bot Theo großmütig an.
»Ach, lass nur«, sagte Lulu und starrte Theo an.
In Wahrheit wollte sie gar nicht, dass jemand ihren Atem prüfte, es war nur das Erste gewesen, was ihr eingefallen war.
»Was? Bin ich dir nicht gut genug, um deinen Atem zu prüfen?«
Lulu schnitt Theo eine Grimasse, und er formte unhörbar mit den Lippen das Wort »gemein«.
»Ich sehe, ihr seid über den morgendlichen Atemtest informiert worden«, sagte Mrs Wellington vom Flur her. Sie trug ein ärmelloses Kleid aus Seersuckerstoff mit einem Petticoat darunter und einem dazu passenden kleinen runden Pillbox-Hütchen auf dem Kopf.
Mrs Wellington umrundete einmal den Tisch und beugte sich dann über Garrison. »Weit
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