Das Geheimnis von Winterset
ein.
„Nein, das glaube ich auch nicht. Ich denke vielmehr, dass hier jemand die früheren Verbrechen nachahmt.
Vielleicht liegt gerade darin der Schlüssel zur Auflösung der Morde, die sich jetzt ereignet haben."
„Ich wüsste nicht, wie", erwiderte Nick und zuckte mit den Schultern.
„Kannten Sie die Leute, die damals umgebracht worden sind?", forschte Anna weiter nach.
„Ich habe Will Dawson gekannt. Er war damals schon ein alter Mann und hatte es wirklich nicht verdient, auf diese Weise zu sterben." Perkins' sonst stets fröhliche Miene war verflogen, und er blickte finster vor sich hin.
„Niemand hat ein solches Ende verdient. Und das Dienstmädchen, das auf Winterset gearbeitet hatte, kannten Sie nicht?"
Nick schüttelte den Kopf. „Nein ... oh, es kann natürlich sein, dass ich sie das eine oder andere Mal gesehen habe, aber ich kannte sie nicht näher."
„Was glauben Sie, wer die beiden umgebracht hat?"
„Es hieß, dass es die Bestie gewesen sei", antwortete Nick.
Zweifelnd hob sie eine Augenbraue. „Sie glauben das doch nicht, oder?"
„Nun, an sich kann wirklich nur eine Bestie solche Taten verüben." Er vermied es, sie anzusehen.
„Gab es denn damals keinen Verdächtigen?" Anna ließ nicht locker. Sie hatte den Eindruck, als ob Nick, der sonst immer so unbefangen und gesprächig war, ihr etwas verschwieg.
„Der Verlobte des Mädchens", erwiderte Perkins. „Nachdem Dawson umgebracht worden war, während der junge Mann im Gefängnis saß, mussten sie ihn allerdings wieder freilassen."
„Und sonst geriet niemand unter Verdacht?"
„Nicht, dass ich wusste."
Anna betrachtete den alten Mann aufmerksam. „Hatten Sie denn nie eine Vermutung, wer es gewesen sein könnte?"
„Woher denn?", fragte Nick stattdessen. „Ich hatte nicht die Zeit, um mir über so was Gedanken zu machen. Es war Erntesaison, und wir hatten alle Hände voll zu tun. Und dann hörten die Morde ja auch auf, also wozu ... "
„Aber ist nicht gerade das besonders auffällig? Warum hat der Mörder so bald von seinem schrecklichen Tun abgelassen? Warum ausgerechnet diese zwei, und dann niemand mehr?"
„Vielleicht hat er die Gegend verlassen", schlug Perkins vor. „Noch ein bisschen Tee?" Fragend hob er die Kanne hoch.
Anna nickte und seufzte leise. Sie hatte alle Hoffnung darauf gesetzt, dass Perkins ihr weiterhelfen könnte. Ihre Enttäuschung schien ihm nicht entgangen zu sein, denn er tätschelte nun besänftigend ihre Hand - eine Vertraulichkeit, die sonst eher untypisch für ihn war.
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen mehr, Miss Anna." Er lächelte sie an. „Es ist alles schon sehr lange her, und Sie sollten es besser ruhen lassen."
„Das kann ich aber nicht. Was ist denn, wenn es doch eine Verbindung zu den Morden gibt, die sich kürzlich ereignet haben?"
„Selbst wenn Sie herausfänden, was sich damals tatsächlich ereignet hat, so wären Sie Ihrem Täter von heute noch immer nicht näher gekommen." Perkins erhob sich von seinem Stuhl. „Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie nachher diese Flasche mit Einreibemittel für Ihren Stallmeister mitnehmen könnten. Er hatte mich darum gebeten."
„Ja, natürlich." Bereitwillig ging Anna auf den Themenwechsel ein, wenngleich ihr noch immer schleierhaft war, weshalb Nick Perkins so ausweichend auf ihre Fragen reagiert hatte. Aber da er eines der Opfer gekannt hatte, waren für ihn sicher viele schlechte Erinnerungen mit dieser Zeit verbunden.
Bald darauf machte sie sich wieder auf den Heimweg und ließ sich dabei ihre Unterhaltung mit Perkins durch den Kopf gehen. Als sie schließlich zu Hause vorfuhr und ihr Pferd zum Stehen brachte, wünschte sie sich, dass sie noch ein wenig länger bei Nick geblieben wäre - direkt vor ihr stand die Kutsche des Squires.
Leider gab es keine Möglichkeit, unbemerkt ins Haus zu gelangen, und so setzte Anna das freundlichste Lächeln auf, das ihr gelingen wollte, und trat in den Salon. Kit, der schon einen recht erschlagenen Eindruck machte, sah auf und grinste erleichtert.
„Anna, meine Liebe." Er erhob sich und bot ihr seinen Platz an.
Mrs. Bennett strahlte Anna an, und aus völlig unersichtlichen Gründen fing Felicity an zu kichern. Anna stellte fest, dass diesmal auch Miles mit von der Partie war. Er lungerte gelangweilt auf dem Sofa neben seiner Schwester, stand aber sofort auf, als er Anna sah, und beugte sich galant über ihre Hand.
„Oh, Sir Christopher, ich bitte Sie! Sie müssen uns
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