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Das geheimnisvolle Tuch

Das geheimnisvolle Tuch

Titel: Das geheimnisvolle Tuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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der Geburt bekam und sie ein ganzes Leben begleitete, sie konnte nie mehr ersetzt werden.
    „Folglich bin ich auch zurzeit ohne Macht“, resignierte der Zauberer. „Aber du, meine Tochter, könntest mein Amt übernehmen, bis ein neuer König gewählt ist. Du hast zwar noch nicht die letzte Reife, aber ich kann dich für einige Zeit als meine Stellvertreterin einsetzen und als Berater an deiner Seite stehen. Doch zunächst müssen wir in die Stadt.“
    „Aber wie?“, fragte Vinc.
    „So, wie ich herauskam. Es gibt einen Geheimgang, den kennt nur der amtierende König der Zauberer, der ihn mitgeteilt bekommt, sobald er gewählt ist, sich bei seinem Leben verpflichtet, auch wenn er abdankt, niemals zu verraten.. Nur die Muhme, sie haust ganz unten, fast schon in der Nähe des roten Feuers, kennt ihn ebenfalls, der in ihrem Reich endet.“
    „Das ist doch herrlich!“, rief Thomas erregt. „Ich wollte schon immer mal eine alte Mumie kennenlernen und dann noch lebend.“
    Rexina musste lachen wegen dieser naiven Äußerung: „Das ist keine Mumie, sondern unsere Muhme. Das ist die Beschützerin der Geheimnisse“, korrigierte sie und an den Vater gewandt: „Aber wenn wir dies brechen, ich meine, dass auch wir den Gang kennen lernen, obwohl noch unwürdig, dann könnte sie erzürnen.“
    „Nein, das ist eine Ausnahmesituation. Ich werde es ihr erklären. Allerdings ist es in der Tat schwierig, denn wenn andere bei ihr erscheinen, werden sie sofort des Todes sein.“
    Sie kannte ihren Vater und seinen Gesichtsausdruck zu gut. Wenn seine Stirn sich in Falten kräuselte, dann macht er sich große Sorgen, er kannte noch nicht die Lösung, wie er es umgehen könnte.
    „Allerdings besteht noch ein Problem. Der Eingang liegt mitten im Lager der Arlts. Es gibt nur einen kleinen Hoffnungsschimmer, nämlich diese Krieger frönen dem Laster des Suffs und sind so gegen Mitternacht im Rausch des Weines. Ein paar Wachen sind zwar da, die müssen wir umschleichen.“
    „Aber wenn sie den Geheimgang schon entdeckt haben?“, meinte Rexina.
    „Unmöglich, mein Kind. Dieser lässt sich nur durch einen ebenfalls geheimen Zauberspruch öffnen. Wir müssen sowieso warten, bis es Nacht wird, bis dahin werde ich ihn dir beigebracht haben. Er ist nicht schwer, verlangt aber starke Willenskraft und eiserne Konzentration. Ich denke, die wirst du wohl von mir geerbt haben.“ Rexos streichelte seiner Tochter liebvoll über das Haar. „Du wirst deiner Mutter immer ähnlicher.“ Seine Blicke wurden trüber, seine Gedanken schweiften kurz in die Vergangenheit, dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er war wieder der Zauberer der Gegenwart.
    Er begab sich mit seiner Tochter abseits der Gesellschaft und übte bis zur Abenddämmerung den Spruch, der sie in die Stadt bringen sollte. Sie begriff ihn rasch, aber der Zauberer gab sich nicht zufrieden, denn ihr Leben hing von der Perfektion dieses Spruches ab.
    Sie hörten raues Stimmengewirr bis hinauf zu ihnen, welches im Laufe des Abends immer heftiger und verworrener klang. Von oben herab sahen sie unten die Lagerfeuer der Arlts, die unbekümmert drum herum saßen, ihrer Übermacht bewusst und deswegen auch ihre Sicherheit vernachlässigend.
    Am Rande des Heerlagers lagen einige Feuervögel träge auf dem Boden, während ein paar wenige noch über der Stadt kreisten. Da ja die Arlts sich inzwischen in der Stadt niedergelassen hatten, war eine Stürmung nicht mehr nötig.
    „Wieso sollte die Stadt gestürmt werden, wenn die Magier sowieso schon immer in ihr waren?“, wollte Vinc wissen.
    „Es ist so“, begann der Zauberer und setzte sich auf einen Stein, umschart von den Dreien, die seine Ausführungen mit Spannung erwarteten.
    „Es stimmt, dass die Magier in der Stadt sind. Ihr müsst euch vorstellen, dass die Stadt wie ein Haus ist mit mehreren Stockwerken. In der Oberen befinden sich zurzeit Magier, weiter unten die Zauberer, die das Reich zur Muhme verteidigen. Das Problem für beide ist aber, dass man in der gläsernen Stadt keine Zauberkräfte besitzt und als Angehöriger der zaubernden oder der magischen Kunst keine Gewalt anwenden kann oder darf. Man versucht sich also aus der Stadt zu treiben, um sich dann zu bekämpfen. Eine schwierige Sache. So können sich eigentlich die Verschanzten, also unsere Leute, nur mit verschlossenen Türen absichern. Das heißt, sie können auch nicht nach oben, daher hat man die Arlts zur Hilfe geholt. Sie sollen bis hin zu den Zauberern, also

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