Das Genessee-Komplott - Ludlum, R: Genessee-Komplott
wäre.«
Der Brigadier stand auf und ging an einen langen Besprechungstisch. Dort drehte er sich um, lehnte sich gegen ihn und sah Bonner an. »Also gut. Ich akzeptiere das, was Sie von wegen >widersprüchlich< gesagt haben. Ich will gar nicht erst behaupten, daß wir mit jedem einzelnen Mitglied dieser Administration auf solider Basis zusammenarbeiten. Ich will auch nicht leugnen, daß es in der Umgebung des Präsidenten eine ganze Anzahl von Leuten gibt, deren Urteil nicht mit dem unseren übereinstimmt. Nein, Major, wir werden nicht zulassen, daß ›1600‹ unsere Überwachung kontrolliert ... oder die Ergebnisse filtert.«
»Das verstehe ich, General. Trotzdem bin ich der Ansicht, daß man mich hätte informieren sollen.«
»Ein Versehen, Bonner. Aber es ist ja jetzt erledigt, da ich es Ihnen erzählt habe, nicht wahr?«
Die zwei Offiziere starrten einander kurz an. Die erzielte Übereinkunft war klar – Bonner war in diesem Augenblick in die obersten Ränge des Verteidigungsministeriums aufgenommen worden.
»Verstanden, General«, sagte Bonner ruhig.
Der weißhaarige Cooper wandte sich wieder dem langen Tisch zu und klappte ein dickes, in Plastik gebundenes Notizbuch mit großen Metallringen auf. »Kommen Sie her, Major. Das ist das Buch. Und ich meine das Buch, Soldat.«
Bonner las die maschinengeschriebenen Worte auf dem Titelblatt: »GENESSEE INDUSTRIES«.
Bonner schritt durch die Glastüren der Potomac Towers. Wenn sein Timing stimmte, wenn seine Telefongespräche ihm die richtige Information geliefert hatten, würde er wenigstens eine halbe Stunde vor Trevaynes Rückkehr in dessen Büro eintreffen. Das war der Plan; drüben im Senatsbürogebäude, wo Trevayne sich in einer Besprechung befand, beobachteten andere ebenso die Uhr.
Er war in Trevaynes Räumlichkeiten ein so vertrauter Anblick, daß er jetzt völlig informell begrüßt wurde. Bonner wußte, daß der kleine Stab aus Zivilisten ihn akzeptierte, weil er eine Anomalie zu sein schien. Der Berufssoldat mit nur wenigen der unattraktiven militärischen Äußerlichkeiten; ein Mann, dessen Aussehen, ja dessen Art sich zu unterhalten, gelockert wirkten. Mit einem Unterton von Humor.
Es würde ihm überhaupt kein Problem bereiten, in Trevaynes innerem Büro zu warten. Er würde den Uniformrock ausziehen und mit Trevaynes Sekretärin ein witziges Gespräch führen. Dann würde er vielleicht in eines der anderen Zimmer schlendern – mit gelockerter Krawatte, aufgeknöpftem Kragen – und mit einigen der Mitarbeiter ein paar Minuten verbringen, Männer wie Mike Ryan oder John Larch, vielleicht auch diesem intelligenten jungen Anwalt, Sam Vicarson. Schließlich würde er sagen, daß er sie jetzt genug von der Arbeit abgehalten hätte und in Trevaynes Büro die Morgenzeitung lesen wolle. Sie würden natürlich freundlich protestieren, aber er würde lächeln und vorschlagen, daß man sich vielleicht nach der Arbeit auf ein paar Drinks treffen könne.
Das Ganze würde sechs oder sieben Minuten in Anspruch nehmen.
Dann würde er zu Trevaynes Büro zurückkehren und wieder an der Sekretärin vorbei – diesmal mit einem Kompliment für ihr Kleid oder ihre Frisur oder sonst etwas – und zu dem Sessel am Fenster gehen.
Aber er würde weder die Zeitung lesen, noch sich in den Stuhl setzen.
Statt dessen würde er zu dem Aktenschrank an der rechten Wand gehen und ihn öffnen. Er würde die Schublade mit dem Buchstaben G herausziehen.
Genessee Industries, Palo Alto, Kalifornien.
Er würde den Aktendeckel herausnehmen, die Schublade schließen und zu dem Sessel zurückgehen. Dann würden ihm sichere maximale fünfzehn Minuten zur Verfügung stehen, um sich Notizen zu machen, ehe er den Aktendeckel zurücklegte.
Die ganze Operation würde weniger als fünfundzwanzig Minuten in Anspruch nehmen, und es würde nur einen einzigen Augenblick des Risikos geben. Wenn Trevaynes Sekretärin oder einer seiner Mitarbeiter hereinkam, während der Schrank offenstand. In diesem Fall würde er sagen müssen, daß er ihn offen vorgefunden habe, und sein Tun beiläufig als >Neugierde< abtun.
Aber der Schrank würde natürlich niemals offengestanden haben; er war stets versperrt. Stets.
Major Paul Bonner würde ihn mit einem Schlüssel aufschließen, den Brigadier General Lester Cooper ihm gegeben hatte.
Es war alles eine Frage der Prioritäten, und Bonner war speiübel.
15.
Trevayne rannte die Treppen des Kapitols hinauf. Er wußte, daß man ihm gefolgt war. Er
Weitere Kostenlose Bücher