Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
meisten Platz beanspruchte ein Laptop, aber ganz oben fand er einen Packen Hundert-Dollar-Scheine, Vitaminpräparate, Proteinpulver und eine Phiole Testosteron mit zwei Spritzen.
Die Zwiebel war süß, durchsichtig und an den Rändern ein wenig geschwärzt. Ga schlug ein Ei hinein und fügte eine Prise weißen Pfeffer, Selleriegrün und den Reis von gestern hinzu. Das Mädchen stellte Schälchen und die Chilipaste auf den Tisch, und der Junge gab ihnen auf. Ihre Mutter tauchte schläfrig in der Tür auf, eine brennende Zigarette zwischen den Lippen. Sie setzte sich an den Tisch, wobei die Kinder versuchten, ihr wissendes Grinsen zu unterdrücken.
Sie nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch aus. »Was ist?«, fragte sie.
Beim Frühstück fragte das Mädchen: »Warst du wirklich schon mal in Amerika?«
Ga nickte. Sie aßen mit silbernen Essstäbchen von chinesischem Porzellan.
Der Junge meinte: »Ich habe gehört, dass man da Geld für sein Essen bezahlen muss.«
»Das stimmt«, bestätigte Ga.
»Und die Wohnung?«, wollte das Mädchen wissen. »Kostet die auch Geld?«
»Und der Bus?«, fragte der Junge. »Oder der Zoo – kostet es Geld, in den Zoo zu gehen?«
Ga unterbrach sie. »In Amerika gibt es nichts umsonst.«
»Noch nicht mal das Kino?«, fragte Sun Moon leicht pikiert.
»Warst du in Disneyland?«, fragte das Mädchen. »Ich habe gehört, das ist das Beste an Amerika.«
Der Junge warf ein: »Und ich habe gehört, das amerikanische Essen schmeckt scheußlich.«
Ga hatte noch drei Bissen übrig, aber er sparte sie für den Hund auf.
»Es gibt gutes Essen dort«, antwortete er. »Aber die Amerikaner ruinieren alles mit einer Zutat, die Käse heißt. Denmachen sie aus Milch. Die Amerikaner tun ihn überall drauf – zum Frühstück auf die Eier, auf die Nudeln und geschmolzen auf das Hackfleisch. Angeblich riechen Amerikaner nach Butter, aber das stimmt nicht, sie riechen nach Käse. Wenn man den heiß macht, zerfließt er orange. Bei meiner Arbeit für den Geliebten Führer muss ich den koreanischen Köchen helfen, Käse nachzumachen. Die ganze Woche musste sich unser Team mit dem ekelhaften Zeug befassen.«
Sun Moon hatte ihre Schale noch nicht ganz leer, aber als die Rede auf den Geliebten Führer kam, drückte sie die Zigarette im Reis aus.
Das war das Zeichen, dass das Frühstück vorbei war, aber eine Frage wollte der Junge noch schnell loswerden. »Haben Hunde wirklich ihr eigenes Futter in Amerika? In Dosen?«
Diese Vorstellung empörte Ga – eine eigene Konservenfabrik für Hunde! »Davon habe ich nichts gesehen«, antwortete er.
*
Im Laufe der nächsten Woche leitete Kommandant Ga einen Stab von Köchen an, die das Menü für die amerikanische Delegation zusammenstellten. Ga hatte eine Zeichnung der texanischen Ranch angefertigt, mit einem Korral aus knorrigen Kiefernstämmen, Mesquitezäunen, einer Feuerstelle zum Erhitzen der Brandeisen und einer Scheune. Dak-Ho wurde angeheuert, um all das mithilfe von Requisiten aus dem Zentralen Filmstudio nachzubauen. Ein Ort außerhalb der Stadt wurde ausgewählt, wo es mehr Platz und weniger Einwohner als in Pjöngjang selbst gab. Genosse Buc besorgte alles, von den Schnittmustern für die mexikanischen Männerhemden bis hin zu den Schusterleisten für Cowboystiefel. Einen Planwagen aufzutreiben erwies sich als größte Herausforderung, doch dann fand Buc ein Exemplar in einem japanischen Vergnügungspark, und eine Mannschaft wurde ausgeschickt, um ihn zu besorgen.
Es wurde beschlossen, dass keine nordkoreanische Motorsense erfunden werden musste; in Versuchen hatte sich erwiesen, dass die kommunistische Handsense mit ihrer anderthalb Meter langen, rasiermesserscharfen Klinge weitaus effektiver zur Unkrautbeseitigung geeignet war. Ein Fischteich wurde angelegt und mit Aalen aus dem Taedong besetzt – ungemein gefräßige, würdige Gegner beim Angelsport. Trupps von Freiwilligen wurden in die Sobaek-Berge geschickt, um möglichst viele Grubenottern, die gefährlichsten Giftschlangen des Landes, für den Schießstand zu fangen.
Eine Gruppe Mütter vom Theater im Kinderpalast wurde mit der Herstellung der Präsentkörbe beauftragt. Da kein Kalbsleder für Handschuhe aufzutreiben war, wurde die weichste Lederart von allen – Welpenleder – verwendet. Statt Bourbon kam ein starker Schlangen-Whiskey aus dem Bergland von Hamhŭng hinein. Die burmesische Junta steuerte fünf Kilo getrocknetes Tigerfleisch bei. Die Frage, welche Zigarettenmarke
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