Das geraubte Paradies
Stab trug Pitlit bei sich. Die beiden geraubten Pistolen steckten in Emms und Caryas Overalls. Ferrer hatte die Umhängetasche mit seinem tragbaren Rechner über die Schulter geschlungen. Ein paar kleinere Werkzeuge ragten aus seinen Hosentaschen. Mehr Ausrüstung besaßen sie nicht. Es würde genügen müssen.
Nachdem sie eine gute Viertelstunde bergauf gekraxelt waren, erreichten sie den übermannshohen Drahtzaun, der die imposanten Sendeempfangsschüsseln umgab. Einige Minuten lang lagen sie hinter einem Gebüsch und beobachteten das Gelände, um zu schauen, ob eventuell ein Wachmann mit Hund auf Streife unterwegs war. Als sich nichts rührte, krochen sie direkt an den Zaun heran, und Ferrer machte sich unter leisem Ächzen ans Werk, um ihn von unten so weit aufzuschneiden, dass sie hindurchschlüpfen konnten. Glücklicherweise gab es auch hier keine Kameras, die ihr Tun hätten beobachten können. Zumindest war nicht einmal Carya imstande, welche zu entdecken – und es kam auch niemand angerannt, um sie unwirsch zu fragen, was sie hier eigentlich trieben.
Als die Lücke, die Ferrer schnitt, endlich groß genug war, schoben sie sich unter dem Zaun hindurch und huschten auf die Rückseite des Gebäudes zu, wobei sie jede Deckung nutzten, die ihnen die Sendeempfangsschüsseln boten. Carya erfasste immer wieder misstrauisch ihre Umgebung und ließ ihren Blick auch über die vier Fenster schweifen, die nach hinten hinaus auf das Antennenfeld wiesen. Keine Menschenseele war zu sehen. Dennoch tauchte die Beleuchtung zumindest den Streifen um das Gebäude herum in beinahe taghelles Licht.
»Warum gibt es hier keine Wachen?«, wunderte sie sich.
»Ich schätze, Dymond hat jeden verfügbaren Mann hinauf zum Pass geschickt, um unsere Freunde zu erwarten«, antwortete Emm.
»Und einige liegen sicher auch in der Kaserne der Zonengarde auf Lauer, um uns festzunehmen, sollten wir dreist genug sein, dort aufzutauchen«, fügte Ferrer hinzu. »Sei doch dankbar, dass bislang niemand von denen auf die Idee gekommen ist, wir könnten die Kommunikationsanlage angreifen. Wäre es dir lieber, wenn es auf dem Gelände von Wachen nur so wimmeln würde?«
»Selbstverständlich nicht«, gab Carya zurück. »Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Dinge niemals leicht sind, egal, was man vorhat. Und das hier kommt mir gerade sehr leicht vor.«
»Du leidest unter Verfolgungswahn.« Ferrer bedachte sie mit einem aufmunternden Grinsen. »Aber wenn es dich beruhigt: Noch sind wir ja nicht drin. Es kann nach wie vor jede Menge schiefgehen.«
Geduckt rannten sie zur Hauswand hinüber und pressten sich gegen die Mauer, um von den Fenstern aus nicht mehr zu sehen zu sein. Bis jetzt hatte sich dort zwar niemand gezeigt, aber das hieß nicht, dass nicht jeden Augenblick einer der Techniker im Inneren von seinem Arbeitsplatz aufstehen und hinüberspazieren mochte, um einen Moment nach draußen zu schauen und dabei die müden Knochen zu strecken.
»Na großartig«, brummte Ferrer leise. »Die Tür hat kein normales Schloss, sondern wird per Codeeingabe geöffnet.« Vielsagend dreinschauend tippte er mit dem Finger auf einen kleinen grauen Kasten, der an der Wand neben der grünen Metalltür hing. »Das wird jetzt ein paar Minuten dauern.«
»Beeil dich«, drängte Emm, die mittlerweile ihre Pistole gezogen hatte und nervös von links nach rechts blickte, als erwarte sie, dass doch auf einmal ein Wachmann um die Ecke geschlendert kam.
»Ja, ja, hetz mich nicht. Sonst löse ich noch den Alarm aus.« Ferrer zog ein schmales Werkzeug aus der Hosentasche und fuhrwerkte behutsam an dem Kästchen herum, bis er einen Teil der Verkleidung gelöst hatte. Darunter kamen Kabel und Anschlüsse zum Vorschein. Der Invitro-Techniker holte seinen tragbaren Rechner hervor. Er wollte gerade eine Verbindung herstellen, als die Tür urplötzlich von innen geöffnet wurde.
Carya und die anderen zuckten erschrocken zusammen. Doch ihre Überraschung war nichts im Vergleich zu der des rundlichen Mannes, der in eine grünweiße Kombination gekleidet und eine Zigarette in der Hand im Türrahmen stand. »Was zum …«, brachte er noch hervor. Einen Lidschlag später hatte Carya ihn gepackt, herumgerissen und gegen die Hauswand gepresst. Bevor er auch nur daran denken konnte, Gegenwehr zu leisten, hielt sie ihm den Elektroschockstab an den Leib und drückte ab. Es knisterte, und der Mann begann heftig zu zittern. Dann verdrehte er die Augen und rutschte wie
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