Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
«Ich dachte, ich würde nie wieder ich selbst werden.»
    «Nein, nein, keine Sorge», sagte Reuben beruhigend.
    Er half Stuart, den Pullover anzuziehen, den Laura mitgebracht hatte. In Hose und Schuhe schlüpfte er allein.
    Er war größer als Reuben, seine Brust breiter, Beine und Arme waren länger und kräftiger als Reubens. Das Zeug, das Laura mitgebracht hatte, war gerade eben groß genug. Er richtete sich auf, lehnte sich zurück und starrte Reuben an. Er war wieder der sommersprossige Junge mit den großen, wachen Augen, aber sein freches Grinsen war verschwunden.
    «Ich muss schon sagen …», sagte Reuben. «Du bist ein prächtiger Wolfsjunge.»
    Stuart sagte nichts.
    «Bei uns wirst du dich wohlfühlen, Stuart», sagte Laura, ohne den Blick von der Straße abzuwenden.
    Der Junge war zu verwirrt und erschöpft, um zu antworten. Immer noch sah er Reuben fassungslos an und schien nicht glauben zu können, dass er einen ganz normalen Mann vor sich hatte.

[zur Inhaltsübersicht]
    34
    A ls er die Augen aufschlug, war es kurz nach vier Uhr nachmittags. Die Vorhänge waren zugezogen. Er hatte stundenlang geschlafen. Doch jetzt hörte er Stimmen vor, hinter und neben dem Haus.
    Er setzte sich auf.
    Von Laura keine Spur. Der Anrufbeantworter blinkte. Irgendwo im Haus klingelte es, aus Richtung der Küche oder der Bibliothek. Sein iPhone auf dem Nachttisch begann zu schnarren.
    Der Fernseher war eingeschaltet, lief aber tonlos. Dieselben Nachrichten, die er gesehen hatte, bevor er einschlief, beherrschten immer noch den Newsticker am unteren Bildschirmrand: WOLFSMENSCHPANIK IN SANTA ROSA .
    Er hatte die Berichterstattung verfolgt, bis ihm vor Erschöpfung die Augen zugefallen waren.
    Im ganzen Bundesstaat wurde offiziell nach Stuart McIntyre gesucht, der am Abend aus dem St. Mark’s Hospital verschwunden war. Um 3 : 15  Uhr war sein Stiefvater von dem Wolfsmenschen getötet worden. Seine Mutter war ins Krankenhaus eingeliefert worden. Aus ganz Nordkalifornien gingen Meldungen ein, denen zufolge der Wolfsmensch an den unterschiedlichsten Orten gesehen worden sei.
    Überall entlang der Küste brachen die Menschen in Panik aus. Dabei ging es weniger um Angst vor dem Wolfsmenschen als Unsicherheit, Hilflosigkeit und Enttäuschung. Warum kam die Polizei dem Wolfsmenschen nicht auf die Spur?
    Gerade begann eine Pressekonferenz des Gouverneurs. Bilder vom Ermittlungsbeamten und Stuarts Elternhaus in der Plum Ranch Road flimmerten über den Bildschirm.
    Reuben stand auf, nackt und barfuß, ging zum Fenster an der Frontseite des Hauses und blinzelte durch einen Spalt zwischen den Vorhängen. Es war ein trüber Nachmittag, und er konnte drei Streifenwagen sehen. Nein. Ein Wagen gehörte dem Sheriff, die anderen beiden gehörten zur Autobahnpolizei. Ein Stück weiter stand ein Krankenwagen. Warum ein Krankenwagen?
    Jemand klopfte ungeduldig an die Haustür. Reuben versuchte zu verstehen, was die Männer wollten. Sie gingen um das Haus herum und versuchten es nun an der Hintertür.
    War die Tür verschlossen?
    Wo war Laura? Er konnte sie riechen. Sie war im Haus und kam näher.
    Er zog sich eine Hose an und schlich in den Korridor. Dort konnte er Stuart atmen hören. Er öffnete die Zimmertür und sah Stuart auf dem Bett liegen. Er schlief so tief und fest wie Reuben selbst noch vor wenigen Augenblicken.
    Beide waren vor Erschöpfung eingeschlafen. Reuben hatte vorher noch vergeblich versucht, etwas zu essen. Stuart dagegen hatte ein ganzes Porterhouse-Steak verschlungen. Aber beide hatten geschwächt und mit glasigen Augen dagesessen.
    Stuart hatte berichtet, sein Stiefvater habe zweimal auf ihn geschossen, aber er war nicht verletzt.
    Dann waren beide zu Bett gegangen.
    Jetzt horchte er. Ein weiterer Wagen fuhr vor.
    Dann hörte er Laura barfuß die Treppe heraufkommen. Im nächsten Moment sah er sie. Sie eilte auf ihn zu und warf sich in seine Arme.
    «Sie sind schon zum zweiten Mal hier», flüsterte sie. «Die Alarmanlage ist eingeschaltet. Wenn sie ein Fenster einschlagen oder eine Tür aufbrechen, geht ein großes Getöse los.»
    Reuben nickte.
    Laura zitterte und war ganz blass.
    «Du hast unzählige E-Mails bekommen, nicht nur von deiner Mutter, sondern auch von deinem Bruder und deinem Vater und Celeste. Und von Billie. Das Ganze scheint eine schreckliche Wendung zu nehmen.»
    «Hat man dich durch die Fenster gesehen?», fragte Reuben.
    «Nein. Die Vorhänge sind seit gestern Abend zugezogen.»
    Draußen wurde

Weitere Kostenlose Bücher