Das Geschenk: Roman
Freizeit, und die hat man auch, aber sechs Tage hin und zurück, dauernd auf Achse, schlaucht auf Dauer ganz schön. Dann braucht man die Zeit, um sich zu erholen. Der Stress gehört nun mal zu diesem Job, aber ich liebe meine Arbeit trotzdem. Und die Crew ist ein super Team. Wir halten zusammen und helfen uns gegenseitig, wie bei einer Familie.«
»Wollen Sie für immer auf dem Cap bleiben?«
»Keine Ahnung. Am liebsten würde ich ja die Leiter weiter raufsteigen, dahin, wo man richtiges Geld machen kann.«
»Und wo ist das? Im Management?«
Tyrone lachte. »Management? Machen Sie Witze? Richtig Knete macht man mit der roten Mütze, als Zugführer. Die Typen scheffeln Dollars, als würden sie die Scheine selbst drucken.«
»Ich brauch einen Drink, und zwar sofort.«
Tom und Tyrone fuhren herum und erblickten den Sprecher, einen Gentleman in einem dreiteiligen Nadelstreifenanzug, für den die Welt absolut nichts Erfreuliches bereitzuhalten schien, wie seine Miene verriet.
Tyrone verdrehte die Augen. »Hallo, Mr Merryweather. Wie geht es Ihnen?«
»Mir geht es gar nicht gut, und ich will einen Drink. Scotch mit Soda on the Rocks. Sofort.«
»Ich habe noch nicht geöffnet, Sir. Wenn Sie sich noch ein wenig gedulden würden …«
Merryweather machte einen Schritt nach vorn. »Dieser Gentleman dort hat ein Bier, und ich vermute, er hat es von Ihnen. Wenn Sie sich also weigern, für mich, einen zahlenden Fahrgast, die Bar zu öffnen, dann«, er warf einen Blick auf Tyrones Namensschild, »dann, Tyrone , empfehle ich Ihnen, sich schon mal nach einem neuen Job umzusehen, weil Sie nämlich arbeitslos sind, sobald ich aus diesem Zug ausgestiegen bin.« Merryweather warf einen Blick auf seine protzige Armbanduhr. »Ich warte, Tyrone.«
»Gewiss, Sir. Ihr Scotch mit Soda kommt sofort, schon unterwegs.«
Tyrone mixte den Drink und reichte ihn dem Gast. Merryweather trank einen Schluck. »Mehr Scotch. Ihr Ganoven spart immer am Alkohol. Zweigen Sie von dem Fusel für sich selbst was ab?«
»He«, mischte Tom sich ein, »regen Sie sich ab.«
Merryweather wandte sich ihm zu. »Wissen Sie zufälligerweise, wer ich bin?«
»Ja, eine Nervensäge. Und offensichtlich auch noch stolz darauf.«
Merryweather grinste so verkniffen, dass es aussah, als würde seine Miene jeden Moment einfrieren.
»Verraten Sie ihm, wer ich bin, Tyrone. Das wissen Sie doch, nicht wahr?«
»Okay, okay, ich schenke Ihnen Scotch nach. Schließen wir Waffenstillstand, ja?«
»Ich bin Gordon Merryweather, der König der Sammelklagen. Und wenn Sie weiter ein so großes Maul haben, zerre ich Sie vor Gericht und hole mir alles, was Sie besitzen. Aber so, wie Sie aussehen, dürfte das nicht viel sein.«
Tom machte Anstalten, sich mit geballten Fäusten auf den Burschen zu stürzen.
»Na los, schlagen Sie nur zu!«, meinte Merryweather. »Dann habe ich sogar noch das Vergnügen, Sie in den Knast zu bringen!«
Tyrone schob sich zwischen die beiden.
»He«, sagte er, »immer sachte. Bleiben Sie friedlich, meine Herren. Kein Grund, gleich auszurasten. Es ist Weihnachten. Sie fahren doch auch über die Feiertage nach Hause, Mr Merryweather, habe ich Recht? Zu Ihrer Frau und Ihren Kindern, nicht wahr? Ich wette, Sie bringen ihnen eine Menge Geschenke mit.«
»Ich bin geschieden. Meine Kinder sind verwöhnte Gören und verdienen weder meine Liebe noch meine Großzügigkeit.«
Nach diesen Worten marschierte Gordon Merryweather mitsamt seinem Whisky Soda davon. Als er ungefähr die Hälfte des Gangs zurückgelegt hatte, hörten sie ihn lachen.
Tom schaute Tyrone verblüfft an. »Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er irgendwann ›Ist alles nur Spaß!‹ sagt.«
Tyrone schüttelte den Kopf. »Mit diesem Mann sollten Sie sich nicht anlegen. Er würde dafür sorgen, dass Sie sich die nächsten Jahre vor Gericht mit ihm herumschlagen müssten. Im Wörterbuch finden Sie sein Bild gleich neben dem Wort Albtraum .«
»Verstehen Sie es nicht falsch, aber warum fährt der König der Sammelklagen mit der Eisenbahn? Er kann sich doch sicher einen Privatjet leisten.«
»Soviel ich gehört habe, hat der stahlharte, gefährliche Mr Merryweather Angst vorm Fliegen. Ich wünschte, er würde sich seinen eigenen Zug kaufen und sich von meinem fern halten.«
»Tja, Tyrone, vielen Dank, dass Sie mich davon abgehalten haben, ihm seinen Scotch mitsamt Glas in den Hals zu rammen. Ich habe noch Pläne für mein Leben, in denen Gefängnisse eigentlich keine Rolle
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