Das Geschenk: Roman
spielen.«
Tyrone lächelte. »Kein Problem. Gern geschehen.«
Tom erkannte, dass Tyrone es nun eilig hatte, seine Bar vorzubereiten, daher beschloss er, das Gespräch vorerst zu beenden. »Und vielen Dank für die Informationen und das Bier.«
»Kommen Sie nach dem Essen wieder her. Dann serviere ich die härteren Sachen.«
»Harte Sachen – das lob ich mir. Das sind genau die Drinks, die ich liebe.«
KAPITEL 7
Tom kehrte in sein Abteil zurück und schaute aus dem Fenster; es war Viertel nach fünf am Nachmittag und schon dunkel. Sie hatten soeben Harper’s Ferry in West-Virginia passiert, ein Ort, welcher durch John Brown unsterblich gemacht worden war, der dort vor Ausbruch des Bürgerkriegs das nationale Munitions- und Waffenlager in die Luft gejagt hatte und anschließend am Galgen mit dem Leben dafür bezahlen musste, was ihm einen festen Platz in den Geschichtsbüchern einbrachte.
Bei Cumberland, Maryland, fuhr der Cap durch den Graham-Tunnel, der eine Länge von ungefähr sechshundert Metern hatte. Toms Eisenbahn-Informationsbroschüre zufolge befanden sich Einfahrt und Ausfahrt des Tunnels in West-Virginia. Doch aufgrund geheimnisvoller geografischer Eigenheiten und landvermesserischer Zufälle verlief der Tunnel selbst in Maryland. Der Cap fuhr außerdem durch den berühmten Cumberland Gap, eine natürliche Lücke in den Bergen, die früher von den Pionieren mit ihren Planwagen benutzt worden war, um auf dem Weg in die Prärie und zum Pazifik die Appalachen zu überwinden. Gäbe es diesen Spalt in den Felsen nicht, wäre Amerika vielleicht noch immer nicht mehr als eine Kette von dreizehn unterdrückten englischen Kolonien.
Nach Cumberland gelangte der Zug nach Lover’s Leap. Dort hatte sich einer Legende zufolge eine indianische Prinzessin, der ihr Vater verboten hatte, einen amerikanischen Soldaten zu heiraten, vor Verzweiflung in eine Schlucht gestürzt. In seiner tiefen Trauer soll ihr Vater, der Häuptling, ihr angeblich gleich hinterhergesprungen sein. Tom sagte sich, dass er Steve und Julie diese Geschichte lieber nicht erzählen sollte. Sie waren schon nervös genug.
Er hielt die Zeit für gekommen, sich die Filmleute näher anzusehen, schlug die andere Richtung ein, entfernte sich vom Speisewagen und gelangte in den anderen Schlafabteil-Abschnitt. Mittlerweile hatte er gelernt, mit dem Körper das Schwanken und Rucken des Zuges abzufangen, und voller Stolz stellte er fest, dass er kaum noch stolperte. Die Luxusabteile waren mit Buchstaben gekennzeichnet, während die Abteiltüren der Economy-Klasse nummeriert waren. Tom war sicher, dass die Hollywoodleute erster Klasse reisten, vor allem die berühmten und berüchtigten. Er schlenderte in der Hoffnung durch diesen Teil des Waggons, dass einer der Filmleute sich aus seinem Versteck wagte und mit ihm ins Gespräch kam und dass er vielleicht eine Rolle in einem neuen Kinohit ergatterte, eine Million Dollar Gage einheimste und selbst berühmt wurde.
Tom näherte sich dem ersten Abteil. Der Vorhang war sorgfältig zugezogen, sodass er nichts sehen konnte. Allerdings hörte er, dass sich drinnen jemand bewegte. Beim nächsten Abteil stand der Vorhang einen Spalt weit offen. Tom blieb stehen, vergewisserte sich, dass er unbeobachtet war, und warf einen raschen Blick hinein. Das Abteil war zu einem Büro umfunktioniert worden. Ein Laptop stand aufgeklappt auf einem kleinen Tisch; daneben befand sich etwas, das wie ein kleiner Drucker aussah. Beides war an eine Steckdosenleiste mit Überspannungsschutz angeschlossen. Ein junger Mann mit Bürstenhaarschnitt und in einem schwarzen Rollkragenpullover ging in dem kleinen Raum auf und ab. Als der junge Bursche sich umdrehte, konnte Tom erkennen, dass er ein Headset trug, das mit einem Handy in einer Gürtelhalterung verbunden war.
Das konnte doch wohl nicht der berühmte Regisseur sein? Nicht dass Tom wusste, wie ein Regisseur überhaupt aussah, doch dieser junge Mann machte irgendwie nicht den richtigen Eindruck. Demnach musste es sich bei ihm entweder um den Star oder den Drehbuchschreiber handeln. Tom tippte auf den Drehbuchschreiber; schließlich hatte der Bursche einen Computer und einen Drucker. Und er schien einer dieser jungen, hippen Schreibkünstler zu sein, wie sie in Hollywood zurzeit gefragt waren. Wie allgemein bekannt, wurde jedem über dreißig offiziell das Recht auf Coolness abgesprochen und stattdessen ein unmoderner Haarschnitt und ein Paar orthopädischer Schuhe verpasst.
Tom
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