Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
halten sich die Prozentsätze die Waage.«
»Aber trotzdem haben doch diejenigen, die in einem Duell starben oder das Shiro-Privileg gewählt haben, ihre Pflicht der Art gegenüber erfüllt? Diese Daten reichen nicht aus, um das Ungleichgewicht zwischen unseren Rassen zu erklären.«
»Seit Beginn unserer Geschichte gab es insgesamt drei Clans, deren genetische Linien unterdrückt wurden – aus Unstetigkeit, Aggressivität den Asix gegenüber, gravierenden Verstößen gegen das Sh’ro-enlei bis hin zur völligen Missachtung der Regeln. Doch selbst wenn man von der ›Unterdrückung der Linie eines Clans‹ spricht, handelt es sich in Wirklichkeit nur um die Shiro. Die Halbkinder und die Asix aus dem Clan durften sich weiter fortpflanzen, zumindest, wenn ihr Lebensband mit einem schwarzen Streifen endete. Diejenigen, die ihrer Art gegenüber ihre Pflicht erfüllten, vertrauten ihre Eizellen oder ihr Sperma dem Jestak-Clan an, und nur sehr wenige Shiro machten sich die Mühe, nach ihrer Nachkommenschaft zu suchen. Ich wette, dass einige nicht einmal wissen, wie viele Kinder sie haben.«
»Wir leben in einer Zeit, in der wir vor den Außenweltlern auf der Hut sein müssen«, bemerkte Yoriko säuerlich. »Und nun entdecken wir, dass die wahre Gefahr für uns die Jestaks sind.«
Sie betrachtete nachdenklich die Grafik.
»Wenn man die Unfälle mal außer Acht lässt, wurden in fünfzig Jahren einhundertvierundzwanzig Shiro von ihren Artgenossen getötet oder starben trotz ihrer Jugend durch das Shiro-Privileg. Das ist eine sehr hohe Zahl, die zum Missverhältnis zwischen den beiden Rassen beiträgt. Das scheint mir gefährlich zu sein. Sollte der Abstand weiter in diesem Maße ansteigen, könnte unsere Gesellschaft instabil werden. Die Asix sind eher nicht in der Lage, die Initiative zu ergreifen.«
Suvaïdar hegte, was dieses Projekt betraf, seit geraumer Zeit schwere Zweifel. Doch das behielt sie lieber für sich. Zudem fragte sie sich, wie viele »Unfälle« von der Art gewesen waren wie der, der Evin Bur das Leben gekostet hatte.
Dieser Gedanke führte sie zu dem Problem zurück, mit dem siesich im Moment beschäftigte: Wie sollte sie herausbekommen, wer ihr nach dem Leben trachtete? Sie musste wissen, wem sie vertrauen konnte. Sie begann ihre Nachforschung mit Odavaïdar Huang, diejenige, die ihr physisch am nächsten stand. Suvaïdar wusste, dass es ein Leichtes wäre, in ihr Zimmer einzudringen und auf sie einzustechen, weil die Türen im Haus nicht abgeschlossen werden konnten. Sie fröstelte bei dem Gedanken an eine lautlose Gestalt, die in ihr Zimmer schlich – bis sie erkannte, dass die Waffe ein zweischneidiges Schwert war, denn auch sie konnte ins Zimmer der Matriarchin eindringen. Sie müsste nur aufpassen, dass niemand sie sah.
In den folgenden Tagen las sie jeden Morgen auf dem angeschlagenen Brett im Gemeinschaftssaal nach, welche Aktivitäten bei Odavaïdar auf dem Programm standen. Bereits am zweiten Tag kam sie auf die glorreiche Idee, sich auch über die Beschäftigung Middaels zu informieren.
Jeder neigte dazu, den Berater zu vergessen. Er war ein unscheinbares Individuum, und so war es auch nicht verwunderlich, dass niemand außerhalb des Huang-Clans seinen Namen kannte. Leider kam es selten vor, dass Odavaïdar das Haus verließ, und wenn sie es tat, wurde sie im Allgemeinen von Middael vertreten.
Suvaïdar war an dem Punkt, dass sie den Gedanken nicht mehr weiter verfolgen wollte. Dann aber stellte sie fest, dass sich ein paar Tage später eine ideale Gelegenheit ergeben würde, wenn der Rat ein letztes Mal vor der Trockenheit zusammenkam. Die Saz Adaï würde an der Sitzung teilnehmen, und die Tradition verlangte es, dass der persönliche Berater während der Tagung draußen vor dem Haus der Sadaï blieb. Im Regen auf der Erde sitzend, musste er auf den eher unwahrscheinlichen Fall warten, dass man ihn brauchte.
»Selbst die Traditionen der Shiro können zu etwas gut sein«, murmelte Suvaïdar vor sich hin, als sie auf dem Weg zum Hospital war. Sie wollte darum bitten, in der Nacht vor der Versammlung des Rates Dienst machen zu dürfen. Niemand würde nachfragen, da sie bereits mehrere Male an den Sitzungen des Rates teilgenommen hatte.
Der Asix, der den Dienstplan vervollständigte, begnügte sich damit, sie vom Tagesdienst auszustreichen und für die Nachtschicht einzutragen.
Am Tag der Versammlung wartete Suvaïdar gespannt darauf, dass die Huangs, die außerhalb des Hauses
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