Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
eingeschlagen hatten, an dem die Kontrollen allerdings verstärkt worden waren.
Auf jeden Fall sprach niemand mehr über sie, und es gab keinen weiteren Zwischenfall. Aber wegen der vielen Umwege hatte der Anmarschweg sich so sehr in die Länge gezogen, dass bereits dieSonne aufging, als sie endlich den abgeschlossenen Bereich des Astroports erreichten. Den Patrouillen war nicht erlaubt, dieses Gelände zu betreten; die Vereinigung der Freien Händler hütete mit fieberhaftem Eifer dieses Privileg, das die Regierung aus Furcht vor einem neuen Transportstreik duldete. Der letzte Streik vor hundert Jahren hatte das wohl größte wirtschaftliche Desaster des interstellaren Zeitalters zur Folge gehabt.
Sie gingen um die Mauer herum, die ihnen endlos lang vorkam. Alle spürten jetzt die Müdigkeit, und alle hatten immer noch Angst davor, von einer Patrouille aufgelesen zu werden. Mit Win, der hinkte, und Suvaïdar, die sich mühsam dahinschleppte, wobei sie die Zähne zusammenbiss, damit niemand ihre Schwäche bemerkte, erreichten sie schließlich ihr Ziel.
»Uff!«, stieß Win hervor und ließ sich auf den Boden fallen, um sich die Wunde an seinem Fuß anzusehen, die die ganze Zeit durch den Verband geblutet hatte. Dann deutete er auf eine Reihe von Lichtern. »Das Shuttle der gemischten Transporte geht da vorn ab«, sagte er. »Es startet in Abständen von ein paar Minuten, denn es muss jede Menge Ladung an Bord gebracht werden. Die Besatzungsmitglieder, die keinen Dienst schieben, haben Ausgang, deshalb fliegt das Shuttle ohne Unterbrechung.«
Win erhob sich wieder, und die Gefährten bewegten sich auf eine von Scheinwerfern angestrahlte Rollbahn zu, auf der drei Fähren standen. Die Tür einer der Fähren war offen. Ein Asix-Wachmann unweit der Zufahrtsrampe kontrollierte eine Reihe von Kisten, die verladen werden sollten. Als er die Shiro sah, machte er zuerst große Augen; dann begrüßte er sie und verneigte sich.
»Ist das die Fähre Hansa 27?«, fragte Tichaeris.
Der junge Asix nickte.
»Wir gehen an Bord.«
»In Ordnung. Voraussichtlicher Start in einer Dreiviertelstunde«, antwortete der Asix, ohne sie nach ihrem Ticket zu fragen oder sich zu erkundigen, ob sie überhaupt das Recht hatten, an Bord zu gehen. Wenn drei Shiro die Fähre benutzen wollten, war es nicht seine Sache, irgendwelche Einwände zu erheben.
Sie bedankten sich und stiegen ein.
Der Asix richtete seinen Blick auf Win. »Du gehörst auch dazu?«
»Ja. Ich bin oft an Bord eines einfachen Raumschiffes.«
»Wie heißt du?«
»Win Sarod. Aber seit heute Morgen, warte ...« Er suchte in seiner Tasche und zog eine Karte heraus. »Seit heute Morgen heiße ich Sami Cutatis.«
Nachdem der Wachmann sie durchgelassen hatte, ließen die vier Ta-Shimoda sich mit einem tiefen Seufzer in die Sitze des Shuttles fallen.
»Jetzt, wo wir an Bord sind, wirst du dich behandeln lassen«, befahl Tichaeris mit einem besorgten Blick auf den blutdurchtränkten Verband um Wins Fuß. »Anschließend wirst du dich mit mir über die Dummheiten unterhalten, die du angestellt hast. Was das erste Mal betrifft, kann ich es verstehen, aber wie ist es möglich, dass du deine Lektion in Neudachren nicht gelernt hast?«
»Ach, Tichaeris Adaï ...«
Als die Türen geschlossen wurden, kam der Wachmann zu ihnen, der sie durchgelassen hatte, verneigte sich und stellte sich vor. Dabei schweifte sein Blick nacheinander zum verbundenen Fuß von Win, zur zerrissenen Kleidung Suvaïdars und schließlich zu den erschöpften Gesichtern aller vier.
»Kann ich etwas für euch tun, Shiro Adaï?«, fragte er dann.
»Gibt’s es irgendwas zu trinken?«, fragte Tichaeris. »Ich sterbe vor Durst. Und gibt es irgendwo einen Mantel und ein Paar Stiefel für die Shiro-Dame?«
Der Wachmann nickte, verschwand und kam kurze Zeit später mit einer Trinkflasche wieder, die die Gefährten kreisen ließen. Dann sagte der Mann: »Was Mantel und Stiefel betrifft, habe ich eine Nachricht gesendet. Bei eurer Ankunft wird alles bereitliegen. Soll ich den Abflug beschleunigen?«
»Nein, nicht nötig«, erwiderte Oda. »Halte dich an den Plan. Es ist unnötig, dass dein Kommandant dir Vorwürfe macht.«
»Und danke für alles«, fügte Suvaïdar lächelnd hinzu.
Der Asix lächelte zurück und sah sie neugierig an: Er fragtesich wahrscheinlich, was eine Shiro, gekleidet und frisiert wie eine Dame aus der anderen Welt, hier machte, aber er war nicht so unverfroren wie Win und erlaubte sich keine
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