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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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worden war: insgesamt zweiunddreißig - und das nur in und um Battery Park City.
    »Mist«, murmelte Rhyme. »Zweiunddreißig.« Und es konnte sich jeweils um mehrere Stockwerke handeln. Zweiunddreißig? Er hatte gehofft, es würden allenfalls fünf oder sechs sein.
    INS-Agent Alan Coe betrat fröhlich den Raum. Er schien nicht im Mindesten zerknirscht zu sein und stellte sogleich einige Fragen zum Stand der Ermittlungen - als hätte die gestrige Schießerei nicht stattgefunden und als wäre der Geist nicht durch sein Verschulden entwischt.
    Und wieder näherten sich Schritte auf dem Flur.
    »Hallo«, grüßte Sachs, kam herein und gab Rhyme einen Kuss. Er wollte ihr von der Liste der mit dem Teppich ausgestatteten Gebäude erzählen, aber Sellitto fiel ihm ins Wort.
    »Haben Sie letzte Nacht auch gut geschlafen?«, fragte er und klang eindeutig gereizt.
    »Was?«, fragte sie.
    »Ob Sie geschlafen haben? War es schön? Haben Sie sich so richtig ausgeruht?«
    »Nicht wirklich«, antwortete sie vorsichtig. »Wieso?«
    »Ich habe gegen eins bei Ihnen zu Hause angerufen. Es gab da ein paar Fragen zu klären.«
    Rhyme hätte gern den Anlass für dieses Verhör gewusst.
    »Tja, ich war aber erst um zwei zu Hause«, sagte sie mit wütendem Blick. »Ich habe vorher noch einen Freund besucht.«
    »Ach ja?«
    »Ach ja!«
    »Nun, ich konnte Sie nicht erreichen.«
    »Wissen Sie was, Detective?«, sagte sie. »Ich werde Ihnen die Telefonnummer meiner Mutter aufschreiben. Die kann Ihnen vielleicht ein paar Tipps geben, wie man mir am besten hinterherspioniert. Auch wenn sie selbst es seit ungefähr fünfzehn Jahren nicht mehr versucht hat.«
    »Ha, das war gut«, sagte Sonny Li.
    »Passen Sie bloß auf, Officer«, warnte Sellitto sie.
    »Ich soll was?«, fuhr sie ihn an. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, dann raus damit!«
    Der Cop gab klein bei. »Ich konnte Sie nicht erreichen, das ist alles«, murrte er. »Ihr Mobiltelefon war abgeschaltet.«
    »Na und? Ich habe doch noch meinen Pager. Haben Sie es damit mal versucht?«
    »Nein.«
    »Also, was wollen Sie?«
    Der Streit verblüffte Rhyme. Sicher, während der Arbeitszeit bestand er darauf, dass Sachs ständig erreichbar blieb. Aber nicht in ihrer Freizeit. Amelia Sachs war unabhängig. Sie fuhr gern schnell mit ihrem Wagen, sie hatte eigene Interessen, und sie kannte noch andere Leute als ihn.
    Was auch immer sie dazu antrieb, sich blutig zu kratzen, ihren Vater zu betrauern und ihrem früheren Liebhaber nachzuweinen, einem Cop, der zu den bestechlichsten Bullen der jüngeren Geschichte gehört hatte und dafür mittlerweile hinter Gittern saß, was auch immer sie an den Tatorten zu Höchstleistungen trieb - genau dieselbe Kraft ließ sie bisweilen über die Stränge schlagen.
    Umgekehrt kam es vor, dass Rhyme sie einfach hinausbeförderte, manchmal höflich, manchmal barsch. Ein Krüppel brauchte Zeit für sich allein. Um Kraft zu sammeln, um den Betreuer die Sache mit den Exkrementen erledigen zu lassen und um über unbedeutende kleine Fragen wie »Möchte ich mich heute umbringen?« nachzudenken.
    Rhyme rief im Bundesgebäude an und fragte nach Dellray, aber der war in Brooklyn und überprüfte einige Anhaltspunkte im Fall des versuchten Bombenanschlags vom Vorabend. Dann sprach er mit dem Assistant Special Agent in Charge und erfuhr, dass man im Verlauf eines morgendlichen Treffens entscheiden wollte, welcher FBI-Agent auf Dellrays Posten bei GHOSTKILL nachrücken würde. Rhyme war verärgert; er hatte angenommen, der neue SSA sei längst bestimmt worden.
    »Was ist mit SPEC-TAC?«
    »Auch das steht auf der Agenda unseres heutigen Konzils.«
    Die Agenda unseres heutigen Konzils?
    »Nun, wir brauchen Leute, und zwar sofort«, schimpfte Rhyme.
    »Die hohe Priorität ist uns durchaus bewusst«, sagte der aalglatte Mann.
    »Oh, wie verdammt beruhigend.«
    »Wie bitte, Mr. Rhyme? Ich glaube, ich habe Sie nicht ganz verstanden.«
    »Ich sagte, geben Sie uns Bescheid, sobald etwas feststeht. Wir benötigen mehr Leute.«
    Kaum hatte er aufgelegt, klingelte der Apparat auch schon wieder. »Kommando, Telefon, Abheben«, rief Rhyme.
    Man hörte ein Klicken, und dann meldete sich eine Stimme mit chinesischem Akzent. »Mr. Li, bitte.«
    Li setzte sich und zog geistesabwesend eine Zigarette aus der Schachtel. Thom reagierte sofort und nahm sie ihm ab. Li beugte sich zu dem Lautsprecher vor und fing an, schnell auf Chinesisch zu sprechen. Es folgte ein heftiger Wortwechsel zwischen ihm und

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