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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Du musst dich von deinen dekadenten Werten abwenden.
    Du wirst von falschen Gedanken und falschen Begierden beeinflusst!
    Falsche Begierden?, überlegte er und lächelte verächtlich. Begierden? Er spürte das vertraute Kribbeln in den Lenden. Dieses Verlangen kannte er nur zu gut. Oft genug hatte es sein ganzes Leben bestimmt.
    Nachdem er die Versenkung des Schiffs überstanden und den Strand hinter sich gelassen hatte, richteten seine Gedanken sich wieder auf die üblichen Prioritäten: Er brauchte dringend eine Frau.
    Das letzte Mal lag schon mehr als zwei Wochen zurück - eine russische Prostituierte in Sankt Petersburg, eine Frau mit breitem Mund, deren Brüste bedenklich weit in Richtung der Achselhöhlen rutschten, sobald sie sich auf den Rücken legte. Es war eine gerade noch befriedigende Erfahrung gewesen.
    Und auf der Fuzhou Dragon? Nichts. Normalerweise genoss ein Schlangenkopf das Vorrecht, eines der hübscheren weiblichen Ferkel in seine Kabine mitnehmen und ihr für eine Nacht in seinem Bett einen Rabatt beim Fahrpreis gewähren zu können. Falls sie allein oder in Begleitung eines schwachen Mannes reiste, konnte er sie auch einfach mitschleppen und vergewaltigen. Was wollte sie denn schon dagegen tun? Bei ihrer Ankunft in dem Schönen Land die Polizei verständigen?
    Aber sein bangshou, der als Spion im Laderaum untergebracht war, hatte ihm berichtet, dass die weiblichen Ferkel auf der Dragon weder besonders attraktiv noch jung seien, ihre Männer dafür trotzig und intelligent, sodass es vermutlich Schwierigkeiten gegeben hätte. So war es eine lange, enthaltsame Reise geworden.

Er dachte an die Frau, die er Yindao nannte, was der chinesische Begriff für die weiblichen Genitalien war. Sicher, es handelte sich um einen geringschätzigen Spitznamen, aber das war nicht persönlich gemeint - abgesehen von ein paar Geschäftsfrauen und weiblichen Schlangenköpfen, die er respektierte, beurteilte der Geist Frauen nur nach ihren körperlichen Vorzügen. Er malte sich aus, wie das nächste Treffen mit Yindao verlaufen würde: wie sie unter ihm lag, wie ihre Stimme klang, wie sie sich aufbäumte, wie er die Hände in ihrem langen Haar vergrub, diesem wunderbaren, seidigen Haar. Eine mehr als erregende Vorstellung. Einen Moment lang erwog er, die Changs und die Wus zu vergessen und lieber Yindao aufzusuchen - sie war hier in New York -, um den Tagtraum real werden zu lassen. Doch das widersprach natürlich allem, wofür er stand. Zuerst mussten die Ferkelfamilien sterben. Dann würde es ihm möglich sein, viele angenehme Stunden mit ihr zu verbringen.
    Naixin.
    Alles zu seiner Zeit.
    Er sah auf die Uhr; es war kurz vor elf. Wo blieben die drei Türken?, wunderte er sich.
    Als er vorhin in seinem Versteck eingetroffen war, hatte er sofort eines der gestohlenen Mobiltelefone genommen und ein Gemeindezentrum in Queens angerufen, mit dem ihn eine mehrfach erprobte Geschäftsbeziehung verband. Er hatte drei Männer angeheuert, die ihm bei der Aufspürung und Liquidierung der Ferkel helfen sollten. Seiner üblichen Paranoia gehorchend und beseelt von dem Wunsch, eine möglichst schwer nachvollziehbare Verbindung zwischen seiner Person und seinen Verbrechen entstehen zu lassen, hatte der Geist sich nicht an einen der traditionellen Tongs in Chinatown gewandt, sondern stattdessen Uiguren engagiert.
    China war überwiegend von Han-Chinesen bevölkert, die ihre Herkunft auf die gleichnamige, zirka 200 vor Christus begründete Dynastie zurückführten. Die restlichen knapp acht Prozent der Einwohner gehörten Minderheiten wie den Tibetern, Mongolen und Mandschu an. Auch die aus dem Westen Chinas stammenden Uiguren waren eine solche Minderheit, größtenteils islamischen Glaubens und in einer zentralasiatischen Region beheimatet, die vor der Annexion durch China den Namen Ost- Turkestan getragen hatte. Daher auch die Bezeichnung des Geists für die Leute: »Türken«.
    Wie die anderen chinesischen Minderheiten wurden auch die Uiguren häufig verfolgt und unter starkem Druck aus Peking genötigt, sich der chinesischen Kultur anzupassen. Separatisten hatten generell mit Folter oder Ermordung zu rechnen, und vor allem die Uiguren forderten nachdrücklich ihre Unabhängigkeit;
    die meisten Terroranschläge in China gingen auf das Konto uigurischer Freiheitskämpfer.
    Die uigurische Gemeinde von New York verhielt sich leise, andächtig und friedlich. Diese spezielle Gruppe aus dem Turkestan Community and Islamic Center in

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