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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sich am leeren Brett gegenüber und nehmen wechselseitig die Positionen in Besitz, die sie als die günstigsten erachten. Nach und nach verschwinden alle freien Flächen. Dann kommt es zum Zusammenprall der widerstreitenden Parteien, und es entwickelt sich eine Abfolge von Angriffen und Verteidigungsaktionen, genau wie im richtigen Leben.
    The Game of Wei-Chi 
    ...Dreiundzwanzig
    Der Zustand seiner Frau verschlechterte sich.
    Es war früher Abend, und Wu Qichen hatte während der letzten Stunde neben der Matratze auf dem Boden gesessen und Yong-Ping die Stirn gekühlt. Seine Tochter hatte aus den gekauften Kräutern gewissenhaft einen Tee zubereitet und dann gemeinsam mit ihm der fiebernden Kranken eingeflößt, aber es schien sich keine Besserung abzuzeichnen.
    Erneut beugte er sich vor und wischte ihr das Gesicht ab. Warum ging es ihr nicht besser?, grübelte er wütend. Hatte der Kräuterkundige ihn betrogen? Und wieso war seine Frau überhaupt so dünn? Hätte sie vor dem Aufbruch ordentlich gegessen und mehr geschlafen, wäre sie unterwegs nicht krank geworden. Yong-Ping, dieses zerbrechliche, blasse Geschöpf, hätte viel besser auf sich aufpassen müssen. Immerhin hatte sie Pflichten zu erfüllen.
    »Ich habe Angst«, sagte sie. »Ich weiß nicht mehr, was real ist. Alles wirkt wie im Traum. Mein Kopf, die Schmerzen..«: Sie murmelte etwas Unverständliches und verstummte schließlich.
    Und auf einmal erkannte Wu, dass auch er Angst hatte. Zum ersten Mal seit ihrer Abreise aus Fuzhou, die schon ewig zurückzuliegen schien, fürchtete Wu Qichen, er könnte Yong-Ping verlieren. Oh, es gab vieles an ihr, das er nicht verstand. Sie hatten überstürzt geheiratet, ohne einander besonders gut zu kennen. Sie war launisch, und manchmal brachte sie ihm weniger Respekt entgegen, als beispielsweise sein Vater geduldet hätte. Aber sie war den Kindern eine gute Mutter, sie konnte gut kochen, sie fügte sich seinen Eltern, und im Bett stellte sie sich geschickt an. Außerdem war sie jederzeit bereit, sich still hinzusetzen, ihm zuzuhören - und ihn ernst zu nehmen.
    Das konnte man nicht von vielen behaupten.
    Der schmächtige Mann hob den Kopf und sah ihren Sohn in der Tür stehen. Längs Augen waren weit aufgerissen; er hatte geweint.
    »Geh zurück vor den Fernseher«, sagte Wu.
    Aber der Junge rührte sich nicht, sondern starrte seine Mutter an.
    Wu stand auf. »Chin-Mei«, rief er. »Komm her.«

Einen Augenblick später stand das Mädchen ebenfalls in der Tür. »Ja, Baba?«
    »Bring mir ein paar der neuen Kleider für deine Mutter.«
    Sie verschwand und kehrte kurz darauf mit einer blauen Stretchhose und einem T-Shirt zurück. Gemeinsam zogen sie die Kranke an. Chin-Mei holte ein sauberes Tuch und wischte ihrer Mutter die Stirn ab.
    Dann ging Wu in das benachbarte Elektronikgeschäft und fragte den Verkäufer, wo sich das nächstgelegene Krankenhaus befand. Der Mann erzählte ihm, dass es ganz in der Nähe eine große Klinik gab, und schrieb ihm die Adresse auf, als Wu darum bat. Er hatte beschlossen, seine Frau mit einem Taxi dorthin zu bringen, und benötigte den Zettel, um ihn dem Fahrer zu zeigen; sein Englisch war zu schlecht.
    »Wir sind bald wieder zurück«, sagte er zu seiner Tochter, als er die Wohnung betrat. »Hör genau zu: Du wirst niemandem die Tür öffnen. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Vater.«
    »Du und dein Bruder, ihr bleibt in der Wohnung. Geht auf keinen Fall nach draußen.«
    Sie nickte.
    »Schließt gut ab, und legt die Kette vor, wenn wir gegangen sind.«
    Wu öffnete die Tür, legte den Arm um seine Frau und ging mit ihr hinaus. Er wartete, bis er das Türschloss und das Rasseln der Kette hörte. Gemeinsam gingen sie die Canal Street entlang, die voller Leute war, voller Gelegenheiten und voller Geld - aber nichts davon interessierte den kleinen verängstigten Mann.
    »Da!«, rief der Geist, als er mit dem Blazer in der Nähe der Mulberry Street auf die Canal Street einbog und am Straßenrand hielt. »Das sind die Wus.«
    Bevor er und die Türken jedoch ihre Masken hervorholen und aussteigen konnten, half Wu seiner Frau in ein Taxi und stieg selbst mit ein. Der gelbe Wagen war beinahe sofort im dichten Verkehr verschwunden.
    Der Geist fuhr ein Stück weiter und parkte gegenüber der Wohnung, deren Anschrift und Türschlüssel er eine halbe Stunde zuvor von Mahs Makler erhalten hatte. Der Dank war eine tödliche Kugel gewesen.
    »Wohin sind die Ihrer Meinung nach gefahren?«, fragte

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