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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Gedanken.
    Erschrocken setzte sie sich auf und musste sofort wieder an den Schlangenkopf denken, wie er mit der Pistole in seinem Boot saß. An den Knall der Schüsse, als er die Ertrinkenden umbrachte. Sie ging ins Wohnzimmer und drehte die Lautstärke des Fernsehgeräts herunter. Lang blickte stirnrunzelnd auf, aber sie hob einen Finger an die Lippen und bedeutete ihm, still zu sein.
    »Mr. Wu?«, rief die Stimme einer Frau. »Sind Sie da, Mr. Wu? Ich habe eine Nachricht von Mr. Chang.«
    Chang, der Mann, der sie aus dem Frachtraum des Schiffs gerettet und mit dem Boot an Land gebracht hatte. Chin-Mei mochte ihn. Seinen Sohn - den, der mit westlichem Namen William hieß - mochte sie auch. Er war ernst, schlank und stattlich. Niedlich, aber riskant: Er war eindeutig ein Kandidat für die Triaden.
    »Es ist wichtig«, sagte die Frau. »Falls Sie da sind, öffnen Sie bitte die Tür. Mr. Chang hat gesagt, Sie seien in Gefahr. Ich habe für Mr. Mah gearbeitet. Er ist tot, und auch für Sie wird es gefährlich. Sie brauchen eine neue Wohnung. Ich kann Ihnen bei der Suche helfen. Hören Sie mich?«
    Chin-Mei hatte das Geräusch der Waffe nicht vergessen. Dieser schreckliche Mann, der Geist, wie er auf sie schoss. Die Explosion auf dem Schiff, das Wasser.
    Sollte sie mit dieser Frau gehen?
    »Bitte.« Wieder ein lautes Klopfen.
    Aber dann hörte Chin-Mei die Stimme ihres Vaters, der ihr befahl, in der Wohnung zu bleiben und niemandem die Tür zu öffnen. Und so wütend sie auch auf ihn sein mochte, so sehr ihr sein Verhalten auch häufig missfiel, so musste sie ihm doch gehorchen.
    Sie würde leise hier warten und niemanden hereinlassen. Sobald ihre Eltern zurückkehrten, würde sie ihnen die Warnung ausrichten.
    Die Frau musste gegangen sein - das Klopfen hatte aufgehört. Chin-Mei drehte die Lautstärke des Fernsehers wieder auf und goss sich ebenfalls eine Tasse Tee ein.
    Einige Minuten saß sie da und bewunderte die Kleider der amerikanischen Schauspielerinnen in einer Sitcom.
    Dann hörte sie einen Schlüssel im Türschloss.
    War ihr Vater etwa schon zurück? Sie stand auf und fragte sich, was ihrer Mutter gefehlt haben mochte. Ging es ihr besser? Musste sie im Krankenhaus bleiben?
    Gerade als sie vortrat und »Vater.« sagte, schwang die Tür auf, ein kleiner, dunkelhäutiger Mann kam herein, schlug die Tür hinter sich zu und richtete eine Pistole auf Chin-Mei.
    Sie schrie auf und wollte zu Lang laufen, aber der Mann sprang vor, fasste sie um die Taille und warf sie zu Boden. Dann packte er ihren schluchzenden Bruder am Kragen, zerrte ihn quer durch den Raum zum Badezimmer und stieß ihn hinein. »Bleib da drinnen, und halt die Klappe, Bengel«, knurrte er in schlechtem Englisch und zog die Tür zu.
    Das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust und wich ein Stück zurück. Sie starrte auf den Schlüssel. »Wie. woher haben Sie den?« Hatte er etwa ihre Eltern ermordet und ihnen dann den Schlüssel abgenommen?
    Er verstand jedoch ihr Chinesisch nicht, also wiederholte sie die Frage auf Englisch.
    »Halt's Maul. Falls du noch einmal schreist, mache ich dich kalt.« Er zog ein Mobiltelefon aus der Tasche und wählte eine Nummer. »Ich bin drinnen. Die Kinder sind hier.«
    Der dunkle Kerl sah irgendwie arabisch aus und stammte vermutlich aus dem Westen Chinas. Nickend hörte er seinem Gesprächspartner zu und musterte Chin-Mei dabei von oben bis unten. Dann verzog er das Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. »Keine Ahnung, siebzehn, achtzehn, ziemlich hübsch. Alles klar.«
    Er unterbrach die Verbindung.
    »Zunächst mal was zu essen«, sagte er auf Englisch. Er zog das verängstigte Mädchen an den Haaren in die Küche. »Was habt ihr anzubieten?«
    Aber sie konnte nur an diese fünf Worte denken, die sich immerfort in ihrem Kopf wiederholten.
    Zunächst mal was zu essen ... zunächst mal was zu essen ...
    Und dann!
    Wu Chin-Mei brach in Tränen aus.
    Wegen des Sturms dämmerte es früh, und Lincoln Rhymes Haus wurde in graues, trübes Licht getaucht. Der Fall machte keinerlei Fortschritte.
    Sachs saß in der Nähe und nippte an diesem widerlich riechenden Tee, worüber Rhyme aus irgendeinem Grund furchtbar aufgebracht war.
    Fred Dellray hatte sich wieder eingefunden, lief hin und her, fingerte an seiner Zigarette herum und wirkte genauso missgelaunt wie die anderen. »Ich war durchaus nicht erfreut darüber, und ich bin es auch jetzt nicht. Ich. Bin. Nicht. Erfreut.«
    Er bezog sich damit auf das vermeintliche

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