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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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irgendwie trotzig, als würde der Tod nicht über ihn siegen, sondern als würde er,der ihn seit Jahren aus dem Versteck zu locken versuchte, endlich die verdiente Aufmerksamkeit gewinnen.
    Er schloss die Augen, wartete auf das Zustechen der Lanze, hörte dann aber nur das Brechen von Holz – nicht das von Knochen. Ehe er noch erstaunt gewahrte, dass der Schmerz ausblieb, rollte sich sein Körper schon zur Seite, entging den Splittern der Lanze, die von einem Schwert entzweigehauen wurde. Als er die Augen aufriss, sah er, dass es das eines Jungen war – eines jener Knappen, die das Kriegshandwerk noch erlernen mussten und einstweilen dazu da waren, Schwerter zu schleifen oder Pferde zu striegeln.
    Anerkennend stellte Balduin fest, dass der Knabe, wenngleich noch etwas ungelenk, stark genug war, das Schwert ein zweites Mal zu heben. Doch mochte es ihm auch gelungen sein, eine Lanze zu zerbersten, er würde es kaum schaffen, es in einen Leib zu rammen. Balduin entriss dem Knaben die Waffe, fuhr herum –und stieß das Eisen in leere Luft.
    Heimtückisch hatten sich die beiden Angreifer vorhin angeschlichen – und lautlos waren sie nun entschwunden, als ahnten sie, dass sich ihnen die Chance, Balduin Eisenarm zu töten, nur ein einziges Mal geboten hatte.
    Balduin lief ihnen nach, aber er starrte in kein menschliches Antlitz, sondern nur in die dunklen Augen der Nacht.
    Er wusste nicht, ob er enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Jetzt überkam sie ihn – die Todesfurcht, die ihm bisher so fremd gewesen war. Er fiel auf die Knie, erzitterte und merkte kaum, dass der Knabe zu ihm getreten war.
    »Geht es Euch gut?«, fragte er mit schwacher Stimme.
    Balduin starrte in ein bleiches Gesicht, das von roten Haaren umgeben war und nun von den ersten Fäden des Dämmerlichts erhellt wurde. Der Anblick tat ihm wohl, rettete er ihn doch davor, in einen Abgrund zu starren, in dessen Tiefe die Dämonen der Vergangenheit lauerten.
    »Das hast du gut gemacht, Junge«, sprach er lobend, »wie heißt du?«
    »Suidger.« Der Knabe lächelte stolz.
    »Du hast mir das Leben gerettet«, stellte Balduin fest, und erst als er es aussprach, ging ihm auf, dass er für jenen Umstand trotz allem dankbar war.
    »Es war mir eine Ehre«, sprach Suidger ernsthaft, »Ihr seid der größte Krieger … von allen.«
    Unwillkürlich erschauderte Balduin, als wäre das kein Lob, sondern Fluch, doch dann erwiderte er das Lächeln.
    Als er zurück zu seinem Zelt ging, trat Prinz Ludwig eben aus dem seinen. Balduin war sich nicht sicher, ob er vorhin die Schlacht gescheut hatte oder ihn irgendjemand – aus Angst um sein Leben – zurückgehalten hatte; der Schlachtenlärm konnte ihm unmöglich entgangen sein. Ludwigs Gesichtsausdruck war wie immer verdrießlich.
    »S-s-s-sieh an, der ta-ta-tapfere Balduin«, stotterte Ludwig. »Ich w-w-w-wünsche dir, dass mein Vater es dir lohnen wird, weil du seinen S-S-S-Sohn vor einer Gruppe nächtlicher Angreifer gerettet hast. W-w-w-womöglich mit dem erhofften Lehen.«
    Sein abfälliger Tonfall reizte Balduin zu sehr, als dass er sich beherrschen konnte.
    »Es sieht so aus, als galt der Angriff mir und nicht dir, mein Prinz«, rutschte es ihm förmlich über die Lippen.
    »Ei freilich!«, lachte Ludwig bitter. »W-w-w-warum sollten es die Normannen auch auf mi-mi-mich abgesehen haben, wenn du doch der gefürchtete K-K-Krieger bist?«
    »Was hast du von mir erwartet, mein Prinz?«, entfuhr es Balduin, noch ehe er seine Worte bedachte. »Dass ich dir den Vortritt lasse, sie zu erschlagen?«
    Ludwig starrte auf die Toten. »I-i-ich überlasse es gerne dir, di-di-dir die Hände schmutzig zu machen, Eisenarm!«, sprach er bitter.
    Balduin erwiderte nichts. Mit einem Mal fühlten sich seine Hände klebrig an, als hätte er förmlich im Blut gebadet. Indessen Ludwig seelenruhig wieder in sein Zelt zurückging, hatte er das Gefühl, am Gestank des Todes zu ersticken.
    »Bring mir Wasser, damit ich mich reinigen kann«, raunte er dem jungen Suidger zu, der ehrfürchtig an seiner Seite verharrt war. »Und Wein … viel Wein.«
     
    Madalgis sah Bruder Ambrosius in der Sonne sitzen. Seit ihrem nächtlichen Gespräch mit Johanna waren mehrere Wochen vergangen, und ihr war mitnichten zum Schmunzeln zumute – aber bei seinem Anblick verzogen sich ihre Lippen doch ein klein wenig. Dass der Mönch die Sonne suchte, war nicht selten Anstoß von Tuscheleien und Spott – nicht wirklich bösartigem, sondern von Erleichterung

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