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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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dass jeder Mensch, der einer Frau so etwas antut, wegen Mordes festgenommen werden soll?«
    Erstmals blickte sie hoch, sah, wie Ekel sich im Gesicht des Mönchs ausbreitete, vielleicht wegen ihrer Worte, vielleicht wegen ihrer schmutzverkrusteten Wunde und ihrer Glatze. In Alpais’ stiller, gleichgültiger Gegenwart musste er so etwas wohl nicht ertragen.
    »Lieber Himmel!«, rief er entsetzt.
    »Ihr müsst mir glauben, dass ich es zunächst nicht wollte! Aber eine der anderen Frauen hat mich überredet, ein Zaubermittel einzunehmen … und es hat das Kind in meinem Leib getötet. Ich habe schreckliche Krämpfe bekommen, und dann ist ein Schwall klumpiges Blut aus meiner Scham gestürzt.«
    Angewidert verzog Bruder Ambrosius sein Gesicht.
    »Aber ich schwör’s Euch!«, setzte Madalgis hastig hinzu. »Wenn … sie mich nicht überredet hätte, ich hätte niemals …«
    »Du weißt, dass das eine schwere Anklage ist. Und du weißt, dass du sie beweisen müsstest.«
    »Aber wie soll ich es denn beweisen?«
    Bruder Ambrosius versuchte noch weiter von ihr zurückzuweichen, doch anders als bisher gestattete sie es ihm nicht. Ohne recht zu wissen, was sie tat, hob sie plötzlich die Hände, umschlang seinen Leib, drückte sich, auch als er entsetzt aufschrie, fest an ihn. Als sie seine hageren Glieder spürte, die wohl noch nie auf diese hungrige, gierige Weise berührt worden waren wie die ihren, ekelte es sie. Die Erinnerungen an ihren Vater und an Balduin gerieten durcheinander, sie wusste nicht mehr, was ihr mehr zugesetzt hatte, was ihr eigenes Verschulden oder das der anderen gewesen war. Der Vater hatte ihr keine Wahl gelassen, Balduin schon. Aber wenn sie nun daran dachte, wie sie das erste Mal zu ihm gekommen war, ihn sich mit Wein gefügig gemacht hatte, so erinnerte sie sich nicht an ihre Freiheit, mit der sie sich dazu entschlossen hatte, nur an den Zwang – den Zwang, ein besseres Leben zu haben, keine kleine, dreckige Magd bleiben zu müssen, den Zwang, die Meinung ihres Vaters über sie zu widerlegen. Sie hörte den Priester schnaufen. Sein Körper begann zu glühen, seine Hände packten sie, schienen sie wegstoßen zu wollen. Immer noch fühlte sie Ekel, aber zugleich diebisches Vergnügen, fühlte Grauen vor seinem Leib und irgendwie auch heimliche Lust darauf. Sie wusste nicht mehr, dass sie es war, die sich auf ihn geworfen hatte, glaubte kurz, dass er selbst es gewesen war, der sie an sich gezogen hatte, gierig und unbeherrscht, dass er sie mit Gewalt nehmen würde … und jene Gewalt ihr ein wenig von der Lebendigkeit zurückgeben würde, die in den letzten Wochen von ihr abgefallen war wie ihre Haare.
    Doch dann fühlte sie, wie sie auf den Boden krachte. Diesmal prallte sie nicht mit der Stirn auf, sondern mit dem Hinterkopf. Das Blut rauschte in ihren Ohren, übertönte seine Stimme. Als sie die Augen öffnete, sah sie zwar, dass er den Mund geöffnet hatte und schrie, aber es drang kein Laut an sie heran. Offenbar beschimpfte er sie, verfluchte sie, drohte ihr die schlimmsten Höllenstrafen an. Es war ihr gleich. Das Rauschen ebbte erst ab, als sich auch seine Erregung legte. Schnaufend und schwer fiel er auf die Bank zurück, auf der er gesessen hatte.
    »Du bist unkeusch gewesen«, stammelte er. »Was immer dir andere angetan haben mögen … all das hat damit begonnen, dass du unkeusch geworden bist. So wie eben jetzt.«
    Er schüttelte sich. »Als hätte ein Dämon von dir Besitz ergriffen …«, setzte er hinzu, und er schlug rasch ein Kreuzzeichen über seine Brust.
    »Aber … aber …«, stammelte sie.
    »Du bist schuldig geworden, also musst du Buße leisten«, drang die Stimme des Mönchs nun nicht länger zitternd zu ihr. Gleichwohl sie ihn hörte, klang es doch fremd, so, als spräche er nicht direkt zu ihr, sondern als würde nur sein Echo in ihren Ohren hallen. Zu ihrem eigenen Erstaunen beruhigte sie das. Erst befühlte sie den Hinterkopf, wo sie eben aufgeschlagen war und nun eine kleine Schwellung ertastete, dann wischte sie mit ihrer Hand über die immer noch blutende Wunde auf der Stirne, auch wenn sie sie dadurch nur noch schmutziger machte.
    »Was soll ich tun?«, stammelte sie.
    »Hast du dein Kind innerhalb der ersten vierzig Tage nach der Empfängnis getötet oder danach?«
    Madalgis zuckte die Schultern.
    »Ich glaube davor«, murmelte sie, obwohl sie sich sicher war, dass es danach gewesen sein musste. Ihr Kopf schmerzte, aber das war zu ertragen. Der Schmerz lenkte sie

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