Das Gift der Drachen Drachen3
kommt beide mit, das ist ein Befehl!«, blaffte schließlich einer von ihnen. »Wir haben mehr als genug für euch beide!«
Tansan entblößte in einem humorlosen Lächeln die Zähne ihres Oberkiefers. Ihre dunklen Augen leuchteten eindringlich, als sie mich ansah. »Du würdest eine Nacht mit ihnen nicht überleben, Zweite Tochter! Das wissen wir beide.«
»Ich bin doppelt so stark wie du. Und jetzt geh hinein zu deinem Kind.«
Sie gab mir eine Ohrfeige. Ich spürte den Schlag bis in meine Wirbelsäule, und meine gebrochenen Rippen brannten wie Feuer in meinen Eingeweiden. Mir verschwamm alles vor Augen, und ich konnte kaum atmen.
»Ich habe meinem Kind etwas versprochen.« Sie packte mein Haar und hob mein Gesicht zu den Adligen in der Rikscha.
»Seht sie an, Bayen Hacros!«, rief sie. »Diese Frau wird von innen heraus von der Paarungskrankheit aufgefressen! Es ist meine Pflicht, Euch darüber zu unterrichten.«
Im Licht des Mondes konnten die betrunkenen Bayen die Striemen, Kratzer und Prellungen auf meinem Gesicht erkennen. »Vielleicht ist sie ja deine Schwester, heho«, meinte einer der beiden zweifelnd. »Vielleicht willst du sie nur davon abhalten, ihre Pflicht zu erfüllen.«
»Die da ist nicht meine Schwester!« Die Abneigung in ihrer Stimme war echt. Sie ließ mich los und stieß mich weg. Ich stolperte und fiel hin. Glühender Schmerz durchzuckte meinen Oberkörper und mein Rückgrat.
Als meine Sehkraft wieder zurückkehrte, war die Rikscha, mit Tansan darin, verschwunden. Savga kauerte neben mir. Sie weinte.
»Ist Mama mit ihnen gegangen?«
Ich kämpfte gegen einen Brechreiz an. Tansan hatte sich bewusst dieser Vergewaltigung ergeben. Nicht um meinetwillen, nein, das nicht. Aber um ein Versprechen zu halten, das sie ihrem Kind gegeben hatte. Ich war wütend und angewidert, aber unwillkürlich fragte ich mich, ob ich die Kraft besessen hätte, dasselbe für mein Kind zu tun, wenn ich in ihrer Lage gewesen wäre.
Ja. Natürlich hätte ich das getan. Wie konnte man das seinem Kind gegebene Versprechen brechen, wenn man genau wusste, dass man damit den Tod der Freundin des eigenen Kindes verursachte? Wie sollte man anschließend die Qual und die Vorwürfe in den Augen dieses Kindes ertragen können?
Aber wie sollte ich das alles dem schluchzenden Kind neben mir erklären?
»Wir hätten uns gegen sie wehren sollen«, stieß ich heiser hervor.
Savga sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Aber nein, Kazonvia. Man kämpft nicht gegen die Bayen, wenn sie ihre Netze auswerfen, heho!«
»Ihre Netze auswerfen?«, fragte ich verbittert. »Nennt man das so bei euch?«
Savga schlang ihre dünnen Ärmchen um sich und zitterte heftig. »Wird Mama zurückkommen?«
Finster blickte ich in die Dunkelheit, in der Tansan verschwunden war.
»Hilf mir jetzt, das Abendessen zuzubereiten.« Ich bedeutete Savga, mir einen der zähen getrockneten Fische zu geben.
Stumm und immer noch zitternd gehorchte sie.
4
D ie Angehörigen des Arbiyesku trotteten kurz vor Mit ternacht auf den Hof.
In der Dunkelheit suchte ich Fwipi. Tansans Säugling schlief unruhig in der Schlinge auf ihrem gebeugten Rücken. Fwipis Schultern waren eingefallen, und sie hatte die schweren Lider über ihre entzündeten Augen gesenkt, als sie mit einem bloßen Nicken meine heisere Schilderung der Geschehnisse kommentierte. Ein dunkelhäutiger Djimbi, der einen der Karren an einem Joch zog, das er sich auf die Schultern gelegt hatte, fluchte, als er meine Worte hörte. Er warf das Joch ab und schritt davon.
Ich fragte mich, in welcher Beziehung er wohl zu Tansan stand.
Fwipi sah ihm nach, bis er in einer dunklen Hütte verschwunden war, während ich eine zusammenhanglose Entschuldigung stammelte.
»Sie musste ihnen gefügig sein, Kazonvia, ob mit dir oder ohne dich.« Sie spie in den Staub. »Ihre Schönheit ist ein Fluch!«
Der dichte, stechende Rauch von dem Drachendung, den ich als Brennmaterial in der Kochgrube benutzte, quoll langsam zu dem endlosen Sternenozean über uns hinauf. Kinder wimmerten schlaftrunken, als Mütter und Tanten sie von den stinkenden Karren des Arbiyesku hoben, ihnen ihre dürftige Kleidung auszogen und im Dunkeln ihre zitternden Körper schrubbten.
»Muss Tansan oft mit den Adligen gehen?«, wollte ich wissen.
»Einmal ist oft.« Fwipi suchte müde meinen Blick. »Nach mehr als einem Mal zählt man nicht mehr.«
Ich fragte nicht weiter.
Die Suppe, die ich unter Savgas Anleitung kochte, war so zäh wie
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