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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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muss es groß werden. Entsetzlich groß. Queenswood Lane, N6. Kannst du das behalten? Ich habe nichts zum Schreiben. Eine bessere Party gibt es an diesem Wochenende in London nicht; also tu nicht so, als hättest du was Besseres zu tun.« Queenswood Lane, N6. Ich prägte es mir ein. Panik war ich nicht gewohnt, aber jetzt erfasste sie mich, als ich eine ganze Reihe von Hindernissen auftauchen sah. Was sollte ich anziehen? Wie würde ich nach Hause kommen?
    » Bring tolle Leute mit«, wies sie mich an. Offenbar war die Panik mir anzusehen. Meine Mitbewohnerinnen… o Gott. Schon jetzt sah ich die Antipathie zwischen ihnen, knisternd wie die statische Elektrizität auf einem Nylonlaken.
    Ihre nächsten Worte klangen unerwartet sanft. » Keine Sorge. Du brauchst überhaupt niemanden mitzubringen. Versprich mir nur, dass du kommst.« Im Glanz ihres verständnisvollen Blicks war mir, als würde ich zum ersten Mal gelesen und interpretiert, entfaltet und betrachtet wie eine Landkarte, die so lange in einer Schublade gelegen hat, dass ihre Falten und Knicke dauerhaft eine eigene Topografie beschreiben. Das war verstörend und beruhigend zugleich.
    » Versprochen«, sagte ich.
    Ich habe seitdem eine Menge Zeit, täglich mindestens eine Stunde, damit verbracht, mich zu fragen, an welcher Stelle der Schnitt in der Kette der Ereignisse liegt, die mich dahin geführt hat, wo wir alle heute sind– oder nicht sind. Wäre mein Leben weiter in den absehbaren Bahnen verlaufen, hätte es keine Ähnlichkeit mit dem, was jetzt ist. Keine Alice. Kein Rex. Aber wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich bin, dann war mein Schicksal und ihres wie auch das Schicksal der anderen in der Sekunde besiegelt, als ich sie zum ersten Mal sah.

VIER
    I ch ging allein auf die Party. Ich weiß, es gibt Leute, für die so etwas ganz normal ist. Die sich gern durch ein Haus voll potenzieller neuer Freunde bewegen, ohne lästigen Begleiter, der vorgestellt werden, dem man Drinks holen oder für den man sich entschuldigen muss. Ich kann nur sagen, ich weiß nicht, wie sie das machen. Ich war noch nie irgendwo allein gewesen, wenn es nichts mit der Universität zu tun hatte, beispielsweise in einem neuen Kurs oder einem Begrüßungsempfang für ausländische Studenten in einem neuen Land. Schon bei dem Gedanken daran, allein auf der Party zu erscheinen, bekam ich weiche Knie, und meine Hände zitterten von einer neuen, köstlichen Art von Angst.
    Ich suchte Queenswood Lane, N6, in meinem A-Z heraus. Der zerfledderte Atlas klappte nach zwei Dritteln der Seiten mit den Südwestlondoner Vororten von allein auf, und ich musste die Bindung an einer zweiten Stelle aufbrechen, um die Seiten für Highgate glattzustreichen. Ich glaube, ich hoffte darauf, dass der Anblick dieser Gegend, dargestellt in Gelb und Grün und mit festen schwarzen Umrissen, es mir erleichtern würde, dorthin zu fahren. Und so war es auch. Eine amorphe, richtungslose Obsession bekam Form und Gestalt, Linie und Zahl. Die rosafarbenen Blöcke, die Gebäude darstellten, waren genauso dicht gedrängt und ungeordnet wie anderswo in Central London, aber die Seite war beherrscht von zwei grünen Klecksen, Highgate Wood und Queen’s Wood. Ich musste blinzeln, um den Namen der Straße zu lesen, die sich zwischen den beiden Wäldern hinzog wie eine Wirbelsäule zwischen zwei Lungenflügeln. Muswell Hill Road. Der Abzweig, auf den es ankam, Queenswood Lane, lag versteckt neben der U-Bahn. Er war so schmal, dass die Beschriftung aus dem gelben Streifen hinaus und ins Grüne floss. Ich starrte die Seite an, auf der sie wohnte– so empfand ich es allmählich–, und versuchte, die Beschränkungen von Blockfarbe und klobiger Schrift zu überwinden, indem ich mir die Gegend vorstellte. Was ich mir ausmalte, war ein Viertel wie Brentford oder Kew, aber mit nicht so vielen glänzenden Autos und staubigen Zimmerpflanzen auf jedem Fensterbrett. Ich war noch nie in Highgate gewesen, aber ich erinnerte mich, dass Sarahs Vater entschieden hatte, uns nicht in diesem Teil von Nordlondon anzusiedeln, obwohl er so nah beim College lag, weil es dort » voll von schmuddeligen Linken und Lesben« sei. Es war nicht klar, ob es für ihn zwischen beiden einen Unterschied gab.
    Die Obsession machte mich zur Eidetikerin, und zum ersten Mal waren es Bilder, nicht Worte, die mühelos und dauerhaft in mein Gedächtnis einsanken. Bis zum Samstagabend hatte ich die Linien und Blöcke auswendig gelernt, aber ich nahm mein A-Z

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