Das Glück reicht immer für zwei
Sie war jetzt eine Mutter. Ihr ganzes Leben richtete sich nach ihrer Tochter. In Sierra Bonita kannte jeder sie als La madre de Allegra . Allegras Mutter. Kaum jemand nannte sie bei ihrem Namen.
Macht mir das etwas aus?, fragte sie sich. Macht es mir etwas aus, dass jede Sekunde meines Lebens von Allegra bestimmt ist? Denn selbst wenn sie nicht bei mir ist, denke ich immerzu an sie und richte den Ablauf meines Tages nach ihr.
Mia lächelte in sich hinein. Nein, es machte ihr nichts aus, denn sie war glücklich als Mutter. Im Moment reichte ihr diese Identität voll und ganz.
»Im Namen der Blue Lagoon Cruises möchte ich Miss Martin ganz herzlich für ihren überaus gelungenen Workshop danken.«
Als Britt geendet hatte, war Steve Shaw aufgestanden und nach vorn getreten. »Ich hoffe, die Seminarreihe hat den Schriftsteller in Ihnen erweckt und bestärkt. Außerdem möchte ich Sie an unsere Veranstaltung am Abend des Dreizehnten erinnern, an dem ich mit Miss Martin ein Interview führen werde und wir hoffentlich mehr über sie und ihr Leben und über die Entstehung ihres wunderbaren Romans erfahren werden. Ich bin sicher, dass es ein interessanter Abend werden wird.«
Die Teilnehmer applaudierten und verließen dann nach und nach den Konferenzraum.
»Soll ich deine Sachen in die Kabine zurückbringen?«, fragte Mia Britt.
Ihre Schwester schüttelte den Kopf. »Das kann ich selbst machen.«
»Es ist mein Job. Für so was bin ich da.«
»Hallo, Brigitte.« Steve Shaw, der sich mit ein paar Passagieren unterhalten hatte, trat zu ihnen. »Der Kapitän lässt fragen, ob Sie
und Ihre Schwester ihm heute Abend die Ehre erweisen würden, an seinem Tisch zu speisen.«
»Oh.« Britt wusste im ersten Moment nicht, was sie sagen sollte. Sie konnte die Einladung nicht ausschlagen, war jedoch alles andere als erfreut von der Aussicht, den ganzen Abend höfliche Konversation machen zu müssen, da sie innerlich vor Wut auf Mia kochte. (Tatsächlich war die Wut, statt abzuflauen, noch stärker geworden, da sie sie während ihres Vortrags hatte unter Verschluss halten müssen.)
»Wer wird sonst noch anwesend sein?«, fragte Mia.
»Kapitän Henderson selbst natürlich und zwei unserer frisch vermählten Paare«, antwortete Steve. »Mr und Mrs O’Neill und Mr und Mrs Chisholm. Leider kann ich selbst nicht teilnehmen, aber vielleicht hätten Sie Lust, mir morgen Abend bei Tisch Gesellschaft zu leisten? Wir müssen uns nämlich über das Interview unterhalten.«
Ohne Britt anzusehen, sagte Mia, sie würden die Einladung von Kapitän Henderson sehr gern annehmen.
»Und meine doch hoffentlich auch«, sagte Steve. »Sie würden übrigens die einzigen Passagiere an meinem Tisch sein.« Während er sprach, wandte er sich an Britt, und Mia spürte einen Anflug von Eifersucht. Sie hatte eigentlich gedacht, dass sie beide sich gut verstanden und dass er sie lieber mochte als Britt. Was natürlich sehr kindisch von ihr war. Jedenfalls war es ihrer Schwester, der Verwandlungskünstlerin, offenbar gelungen, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Er sah Britt mit einem Ausdruck an, als gäbe es nichts Wichtigeres in seinem Leben, als dass sie seine Einladung annahm.
»Natürlich, sehr gern«, sagte Britt.
»Mia?« Steve drehte sich zu ihr. »Sie kommen doch auch?«
Mia schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Lust, den Anstandswauwau für Britt und Steve zu spielen.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe für morgen Abend eine Anwendung
im Spa gebucht. Aber das macht nichts. Dann können Sie beide sich in Ruhe auf das Interview vorbereiten.«
Britt warf ihrer Schwester einen überraschten Blick zu, doch Mia tat, als bemerkte sie ihn nicht.
»Ich dachte im … nun … wie wäre es mit dem Calypso?«, fragte Steve, wieder an Britt gewandt.
Das Calypso war das kleinste und intimste Restaurant auf dem Schiff. Oha, dachte Mia, er scheint wirklich auf sie zu stehen, da wäre ich ja in der Tat das fünfte Rad am Wagen.
»Wunderbar«, antwortete Britt.
»Prima.« Steve lächelte sie an und wandte sich wieder an Mia. »Und Sie sind sicher, dass Sie Ihre Spa-Anwendung nicht verschieben wollen?«
Er ist wirklich sehr gut darin, einem das Gefühl zu geben, dass er einen mag, dachte Mia. Jedenfalls ist er sehr viel einfühlsamer als Britt.
»Ja, ich bin mir sicher, aber trotzdem vielen Dank.«
»Dann bis später.« Er nickte beiden zu und verließ den Konferenzraum.
Gleichgültig, wie wütend sie auch war, Mia gelang es nie lange, die
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