Das Glücksrezept - O'Neal, B: Glücksrezept - The Lost Recipe for Happiness
Tiefkühltruhe holen und auftauen konnten – inklusive Gemüse und Brot und allem, was sie sonst noch brauchten.
Das Zusammensein mit ihr war erstaunlich angenehm und bereichernd. Sie unterhielten sich darüber, wie sie ihren Tag verbracht hatten, darüber, was ihnen in den Nachrichten aufgefallen war. Eigentlich nichts Besonderes, doch diese Alltagsgespräche vermittelten ihm einen Eindruck davon, wer sie war. Er erfuhr, dass ihre Lieblingsfächer Englisch, Naturwissenschaften und (ausgerechnet!) Werken waren. Er erzählte ihr von den Mitarbeitern im Restaurant, Anekdoten und Insiderklatsch aus Hollywood, dem sie mit Begeisterung lauschte.
Einige Male gesellte sich Elena zu ihnen. An diesen Tagen kochte sie für sie, auch wenn er sie stets zu überreden versuchte, sich einfach an den Tisch zu setzen und ihr Abendessen zu genießen. Doch sie winkte nur ab, nahm Portia mit
in die Küche und brachte ihr einige einfache traditionelle Gerichte bei.
Die späten Abende oder die Stunden nach ihrem ersten Vormittagsrundgang durchs Restaurant verbrachte er mit Elena.
Und er schrieb – eine sehr düstere, sehr sexy Story über Verlust und Wiedergutmachung, über einen hintertriebenen Geist und eine Frau, die versuchte, damit zurechtzukommen, was sie alles im Leben verloren hatte. Er war sich durchaus darüber im Klaren, dass er einen Part für seine Exfrau vorsah – eine fragile Gestalt mittleren Altes, die lernen musste, auf eigenen Beinen zu stehen, doch in seinem Kopf hatte er eindeutig Elena vor sich.
Das Casting hatte bereits begonnen, die Drehpläne standen. Er hoffte, zu Beginn des Sommers anfangen und so viel wie möglich drehen zu können, bevor Portia im Herbst wieder zur Schule musste.
Er schrieb abends, wenn Portia Hausaufgaben machte oder sich einen Film ansah – sie saßen im Salon, bei einem knisternden Feuer im Kamin, oder im Familienzimmer. Er steckte sich die Ohrstöpsel seines iPods in die Ohren, um sich besser konzentrieren zu können, während seine Finger im weichen Schein einer Stehlampe über die Tastatur flogen. Das Haus fühlte sich heimeliger an als jedes andere, das er seit langer Zeit bewohnt hatte.
Von Zeit zu Zeit tauchte die Frage auf, was er Elena erzählen würde. Wann er es ihr sagen würde. Doch nicht einmal diese Aussicht konnte seine Zufriedenheit schmälern. Er war sich ganz sicher, dass es ihm zum richtigen Zeitpunkt gelingen würde, ihr zu erklären, dass er nur tat, was alle Geschichtenerzähler taten.
Selbst das Wetter spielte mit. Anfang November kam der Schnee. Zu Beginn schneite es am einen Tag, am nächsten
schmolz alles wieder. Dann zog ein Tief langsam über das Tal, so dass die Hänge zum ersten Mal weiß wurden. Die Einheimischen begannen, über El Niño zu frotzeln. Vielleicht, so meinten sie, kam ja ein Winter wie 2005/2006 auf sie zu, als sich der Schnee an manchen Stellen meterhoch getürmt hatte.
Eines Abends – er saß in Socken und mit einem Stift zwischen den Zähnen in seinem Sessel und freute sich bereits auf das Wiedersehen mit Elena am nächsten Morgen, während Portia am Couchtisch ihre Mathematikaufgaben löste – wurde ihm bewusst, dass dieses eigentümlich losgelöste Gefühl in seiner Brust Glück war.
Es jagte ihm eine Heidenangst ein. Aber worum ging es im Leben, wenn nicht um die Aussicht auf ein wenig Glück? Und vielleicht blieb das Glück ja ausnahmsweise an seiner Seite? Schließlich gab es nichts, was dagegen sprach, oder?
Okay, abgesehen von dieser winzigen Lüge.
Für Elena waren diese Wochen eine unglaubliche Zeit, perfekt organisiert und ausbalanciert. Natürlich gab es die eine oder andere Personalentscheidung – Umstrukturierungen, Neueinstellungen und vereinzelte Kündigungen -, aber die Kern-Crew stand und arbeitete hervorragend zusammen. Elena, Juan und Ivan bildeten das Herzstück der Küche, während Alan, Patrick und ihre kluge, attraktive Barkeeperin Marta das Restaurant bestens im Griff hatten. Hinter ihnen stand, sowohl in der Küche als auch im Service, eine Armee aus Kellnern, Jungköchen und Spülern und Tansy, die Patissière, die sich auf mexikanische Desserts spezialisiert hatte und deren selbst gemachte Churros sich mittlerweile größter Beliebtheit erfreuten.
An einem Morgen Anfang Dezember erschien Julian
ziemlich früh in ihrem Apartment. »Ich muss nach Vancouver«, sagte er und reichte ihr eine Zeitung. »Im Blue Turtle hat es einen Brand gegeben.«
»Was?« Sie überflog den Artikel. »Wie schlimm
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