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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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des Berges und schenkte sich einen großen Becher ein. Ein humorloses Lächeln huschte über sein Gesicht. Er war froh, daß Hausyrrer, der verfluchte Wunderwäsche-Verkaufsleiter, seinen Biervorrat nicht gefunden hatte. Er verkorkte die Flasche und nahm einen tiefen, tröstenden Schluck, der seiner Zunge ein freudiges Gefühl alkoholisierter Sicherheit verlieh. Wer weiß, noch ein Dutzend Maß von dem Zeug, und er fühlte sich vielleicht wieder wohl.
    Er schaute sich mißmutig um und seufzte. In allen Richtungen sah er, soweit das Auge reichte, nur bergige Tundra, bevölkert von orientierungslos flatternden Moorhühnern und ziellos grasenden Steinböcken. Seine sichere Innentasche war verdächtig leicht, zu leicht für eine beruhigende Menge Bargeld. Die Schatten wurden länger, die Aussichten auf bezahlte, profitable Arbeit waren alles andere als günstig und auf jeden Fall weitentfernt. Kurz gesagt, die schlechten Zeiten hatten ihn eiskalt von hinten erwischt und waren mit schweren Stiefeln über ihn weggetrampelt.
    Er trank einen großen Schluck von seinem Bier, starrte in dessen pechschwarze Tiefen und erinnerte sich wehmütig an eine Zeit, in der sein Wort in der Lage gewesen war, ganze Nomadenstämme in wilde Verzückung zu versetzen. Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit vor dem Mietpredigertum, vor der Gründung der Maschinengewehre Gottes, zurück in die Blütezeit der Mission der Heiligen Laudatia. Die rauhe, unverfälschte Schönheit eines Mannes, der auszog, Nomaden und Wanderer zu bekehren, und seines Buches.
    Ach, er war gut gewesen. Früher. Eine melancholische Träne glitzerte in seinem Augenwinkel, als er erneut von seinem Bier trank und ihm die Ein-Mann-Mission einfiel, den Menschen vom Volk der Bajufaren in der Wüste Ghuppy die Botschaft vom Heiligen Loisl dem Ungewaschenen zu bringen. Und als seine Augen in die dimensionslose Unendlichkeit am Boden des Bechers starrten, schwammen Bilder von unten auf ihn zu.
    Ein Schafherdlein hatte ihn gelangweilt angestarrt, als er die letzten Schritte durch die Wüste Ghuppy auf die grellbunten Zelte der Nomaden zu gemacht hatte. In seinem Bündel hatte er Dutzende von Exemplaren der neuen bajufarischen Übersetzung der Schwarzen Proselyten-Schriften von St. Loisl dem Ungewaschenen. Ihre druckfrischen Einbände rieben sich liebevoll an seinem uralten Tamburin. Ach, grübelte er, hätte ich einen Groschen für jedes ›Alujah‹ bekommen, das dieses Instrument anstimmte, wäre ich ein wohlhabender Mann.
    Er bewegte sich weiter durch die biergetönten Erinnerungen am Boden seines Bechers.
    Er wußte nicht, daß er dort nicht allein war.
    Genau in diesem Augenblick starrte noch jemand einsam in sein Bier, während sich eine Gottheit mit einer Zinkennase unaufhaltsam durch ihre Antrittsrede witzelte. Syffel, der kommandierende Gott des Bieres, blinzelte überrascht, als sich in den Tiefen seines Humpens etwas bewegte. Er rieb sich die Augen, schaute sich verstohlen in Manna Ambrosias Restaurant um und sah vor seinem bierstieren Blick eine Schafherde. Lyblichs Dankesrede, der er keinerlei Beachtung mehr schenkte, ging im Hintergrund wie heiße Luft weiter.
    Mietprediger Gottfried Zorn erblickte in seinem Bier, wie sein jüngeres Ich eine Zeltplane griff, sie zur Seite fegte und schnell eintrat. »Habt ihr die Botschaft vernommen?« fragte er und teilte die druckfrischen Bücher aus. »Nehmt eins, gebt es weiter. Wenn sie nicht für alle reichen, müssen zwei sich ein Buch teilen.«
    Ach ja, so mußte man es anstellen. Ganz und gar selbstbewußt. Rein, ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sie bekehren, bevor sie wissen, was mit ihnen geschieht. Ein Tablett voller Schafsaugen stand unverteilt zwischen zwei in Decken gehüllten Bajufariern.
    »Doch zuerst eine kurze Lektion aus dem Buch der Sprüche«, sprach das bräunliche Bild Zorns, bevor er es schwungvoll aus dem Folianten in seiner Hand vortrug.
    Syffel schaute aus unvorstellbar weiter Entfernung gebannt zu, als sich die Ereignisse entfalteten. Der Mann in der schwarzen Soutane brauchte nur wenige Minuten, um jeglichen Widerstand der Bajufaren zu brechen und sie nach und nach unwiderstehlich zu treuen Gefolgsleuten zu machen.
    Er hatte großes Glück, daß sie ihn nicht sofort lynchten, als sie in ihm den Geistlichen erkannten. Die Nomaden in der Wüste Ghuppy wurden ständig mit neuen Religionen bombardiert. Man brauchte nur etwa vierzig Tage in der Wildnis zu bleiben, dann kamen sofort Missionare

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