Das göttliche Dutzend
ihre Muskeln schufteten schwer, machten sie noch schneller, nutzten die Zugkraft des freien Falls und die Energie ihres Fluggefieders, um über die normale sichere Geschwindigkeit hinaus zu beschleunigen. Ein dünner Luftzug fegte an ihrem Gesicht vorbei, ließ ihre Augen tränen und die Flüssigkeit in Streifen über ihre brennenden Wangen laufen.
Das war das Tolle am Dasein eines Engels. Aerobatics.
Hier draußen am Rande des Hymmels hatte man scheinbar den ganzen blaßblauen Raum der Ewigkeit an den Flügelspitzen. Ah, das war das Leben nach dem Abgang!
Angela breitete die Schwingen aus, zog sie wieder ein und fegte mit fast vier G das gefährlichste und aufregendste Manöver überhaupt aus – eine Außenschleife. Ihr Brustkorb pulsierte, die Schwingenglieder ächzten, als der Schub sie hochhob. Sie vibrierte, als sie auf einem Wirbelsturm aus Dunst nach oben fegte und ihre Flügelspitzen Kondensstreifen abgaben. Sie raste der höchsten Stelle der Schleife entgegen, ihre Wangen schlackerten, das Haar flog hinter ihr her. Mit jedem Stück, das sie höherstieg, verlor sie an Schwungkraft, die Schwerkraft nahm zu, zog sie zurück und verlangsamte sie. Der Höhepunkt näherte sich, der prächtige Augenblick des Absturzes in den freien Fall, wenn das Herz in der Euphorie der Nullgravitation mit den Gedärmen ringt, näher, höher …
Und mit einem sehr unengelhaften Fluch wich sie aus.
Ihre Flügel zuckten zusammen, sie rutschte zur Seite und fiel in einem Gewirr von Federn, Haaren und Geschimpf vom Himmel. Sie fluchte unterdrückt und ließ sich, wie ein Trapezartist, der die Stange verpaßt hat, ein paar hundert Fuß tief fallen. Dann verfiel sie mit einem Seufzer in einen Kopfsprung, flatterte zweimal und hatte sich sofort wieder vollständig unter Kontrolle. Sie beruhigte sich, warf sich auf den Rücken, fegte gelassen durch eine vorbeistromernde Wolkenbank und pfiff sich eins. Na und? Auch wenn sie es vermasselt hatte, es gab immer ein nächstes Mal. Oder die Zeit danach. Das war das Gute daran, wenn man unsterblich war – man hatte eine Menge Zeit zum Üben.
Angela gab einer plötzlichen Laune nach, schlug lässig einen dreifachen Salto, flatterte weiter, umflog eine besonders dicht wirkende Wolke und hielt inne, denn sie vernahm ein eigenartig summendes Geräusch. Als sie schwerelos in der Luft hing, legte sie eine Hand ans Ohr und lauschte. Sie war sicher, daß das Geräusch aus der Wolke kam. Aber das konnte doch nicht sein. Aus Wolken kamen doch keine …
Das Summen ertönte erneut, und diesmal gab es keinen Zweifel mehr, was seine Herkunft betraf. Angela flitzte zu der Wolke hinüber, streckte eine Hand aus, um sich hineinzuschieben und stieß ein überraschtes Quäken aus, als sie auf etwas Festes stieß. Verblüfft flitzte sie an die andere Seite und war sprachlos, denn dort fand sie eine hübsch verzierte Türklinke. Sie ragte aus dem Wolkendunst heraus.
Und wieder ertönte das Summen.
Die Neugier packte sie. Sie drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Sie schwang auf; das in Abständen auftretende Summen wurde lauter und deutlicher hörbar. Verblüfft flatterte sie in das verdunkelte Innere hinein und musterte erstaunt einen einzelnen leuchtenden Dreizack an einer Wand, die von ähnlichen, doch unbeleuchteten Symbolen wimmelte, und unter denen jeweils ein Namensschild befestigt war.
An der Wand hing eine handgeschriebene Notiz.
Die Sache langweilt mich.
Hab allen erzählt, daß sie nicht kommen, und mich verdünnisiert.
Tschüß. Schnyffler.
P.S. Sollte jemand dies lesen und irgendwelche von den Dingern summen gerade, soll er sich mit mir in Verbindung setzen. Schnellstens.
Angela kratzte sich am Kopf. Schnyffler? dachte sie. Na, wo hab ich den Namen nur schon mal gehört? Schnyffler … Ach ja, er ist das Oberste Wesen für … Sie schluckte, als es ihr einfiel … für Spionage, Desinformation und Agententum. Au weia! Blitzende Lichter, Summer, Spionage. Irgendwas sah nicht allzu gut aus.
Sie flatterte durch die Wolkentür und machte sich auf die Suche nach Schnyffler, um in Erfahrung zu bringen, um was es hier eigentlich ging. Echtes Pflichtgefühl war das nicht.
Das winzige zinnoberrote Mhodemm schwebte kurz auf der Stelle und berechnete eine Hinternangriffsroute. Dann summte es wütend los, senkte die Fühler, schob den Ameisensäure spuckenden Rüssel in volle Angriffsbereitschaft und machte eine saubere Wendung. Es stürzte wild an schwarz verschwommener
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