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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Es war nicht meine Schuld«, blökte er, für den Fall, daß Bocus es vergessen haben sollte. Die unheimlich brütende Stille und die zuckenden Wangenmuskeln des Hohepriesters erschienen ihm als kein gutes Omen.
    »Sie sehen eben gleich aus, nicht wahr?« winselte Fyhlo. »Also, in einer vollgestopften Küche, mitten zur Hauptessenszeit; na ja, da sieht ein Puderzucker eben wie der andere aus. Es war ein Fehler, den jeder gemacht haben könnte. Sie fangen sogar mit dem gleichen Buchstaben an …«
    Als Bocus’ Stimme schließlich in einem heiseren Tonfall wieder erklang, transportierte sie erzwungene Ruhe. Wenn es das nicht war, hatte er einen irreparablen Stimmbandschaden, dem gleich eine ausgewachsene Tirade rotgesichtigen Kreischens folgen würde. »Soll das etwa heißen, daß der Kuchen, der in weniger als acht Stunden für die wichtigste Hochzeit bereitstehen soll, die dieses Jahrzehnt erlebt hat, gewürzt wurde?«
    Fyhlo lugte unter seiner Kochmütze hervor wie ein in Furcht versetztes Nagetier. Er nickte und rang die Hände.
    »… statt gezuckert zu werden?«
    Fyhlo riskierte ein weiteres, von schlechtem Gewissen kündendes Nicken.
    An Bocus’ Schläfe zuckte eine Ader, und alle Mann verpißten sich. »Du hast ihn gesalzen?«
    »Es war das beste sonnengetrocknete Felsensalz …« winselte der Unterling, der sich nun an alles klammerte, was die Strafe mildern konnte, der er fraglos entgegensah.
    Bocus schloß die Augen und hob einen tödlichen Finger. »Und worin, falls du die Güte hast, es mir zu sagen, bestand das Schicksal der drei Pfund und vier Unzen erstklassigen Rohrzuckers?«
    »Ach ja, das wollte ich auch noch sagen«, gestand Fyhlo mit einem leichten Beben in der Stimme. »Die Wurstbrötchen sind bestimmt lecker, wenn man sie mit besonders scharfem Senf serviert … dann schmeckt man nicht so, wie süß sie sind … Halten Sie es nicht auch für eine sehr gute Idee?«
    Der heiße Atem von Bocus’ Temperament krachte aus seinen schnaubenden Nüstern, bereit, auf hundert Metern die Wandfarbe aufplatzen zu lassen.
    Fyhlo schloß die Augen und empfahl seinen Leib den Launen des Hohepriesters der Hochzeitsfeierspeisen. Es war ein tragischer Abgang, aber zumindest wußte er nun sicher und gewiß, daß man ihn mit äußerster Präzision in Würfel schneiden würde.
    Er hörte das Rascheln von Bocus’ Gewändern, als dieser voranhechtete; spürte das Trommeln des Blutes in der Ader an seiner Stirn; spürte das schnarrende Schnauben stürmischen Atems auf seinem Hals …
    Und hörte, daß die Tür ins Schloß knallte und sich zwei klappernde Füße entfernten.
    Fyhlo riß die Augen auf und erblickte Bocus’ sanft zu Boden schwebende Dienstmütze. Ein erleichtertes Quäken machte sich vorzeitig in seiner Kehle breit, als sein Blick hin- und herhuschte und nach einer Spur des Hohepriesters suchte. Seine Knie fühlten sich wie Vanillepudding an. Millisekunden, bevor er in einem Baiser blubbernder Erleichterung zu Boden schlitterte, wurde die Tür zum Spezialitätenlager aufgetreten und Bocus stürmte heraus.
    Fyhlos Augen waren schwarzolivene Vol-au-vents der Wachsamkeit, als der schäumende Hohepriester unaufhaltsam und mit erhobenen Händen auf ihn zustampfte.
    »Trag das!« brüllte er, warf Fyhlo einen Sack mit seltenen und teuren Kräutern in die Rippen und rauschte an ihm vorbei.
    Fyhlo flog wie Safran in einem Sandsturm herum und wurde am Kragen herausgezerrt.
    Erst zwanzig Minuten später kam er wieder zu Atem, und zwar dann, als Bocus ihn auf einen merkwürdig öden Fleck von zottiger Erika auf einem hohen Vorgebirge östlich der Stadt fallen ließ. Der Hohepriester sank wenige Zoll vor dem Rand eines dreihundert Fuß tiefen Abgrundes auf die Knie und wischte dort liegende Zweiglein und Blätter von einem eigenartig geformten Stein.
    »Anmachholz! Anmachholz!« bellte Bocus verzweifelt. »Aber dalli!«
    Fyhlo sprang beinahe aus der Haut, ließ den Sack fallen und fegte hektisch durchs Unterholz, um leicht entzündbare Erikazweiglein zusammenzuschrappen.
    Kurz darauf hatte Bocus sie zu einem zusammengestoppelten Lagerfeuer aufgeschichtet, hockte vor einer kleinen, grobgehauenen Gesteinseinkerbung und ließ ein Brandstöckchen zwischen den Händen wirbeln. Fyhlo gaffte die sich verwischenden Hände an und blinzelte voller Ehrfurcht, als Sekunden später Funken sprühten und in die Erikazweiglein fielen. Strähnen bläulichen Rauchs stiegen in die Morgenluft auf. Es knisterte erst, dann brannte das

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