Das göttliche Dutzend
er zuckte wild hin und her. Phaust und Quack rannten durch die Gasse, die sie auf die Straße führte. Sie pfiffen munter ihren schmierestehenden Partnern zu und ließen dreißig angekokelte Kohlen in Kassos Schoß fallen.
»Hier. Genug Malerbedarf für den nächsten Monat«, sagte Phaust grinsend. »Wie war das jetzt mit Thussi als Modell?«
Die Frage mußte unbeantwortet bleiben, denn in diesem Augenblick blitzte plötzlich und unerwartet ein blendendweißes Licht auf, und eine Gestalt in schwarzer Soutane erschien neben Fiddel auf dem Dach. Zu seiner Linken erschien eine große Kiste mit Pergamentbechern. Der Geiger schrie schrill auf und hörte mitten im Crescendo auf zu spielen. Er hielt zitternd seinen Bogen fest. »Wer, zum Teufel, sind Sie …?« begann er.
»Äh, hallo zusammen«, sagte der vor Aufregung bebende Mann. Die vielen fragenden Gesichter, die alle gerettet werden wollten! Auf dem Platz vor ihm drängten sich wahrscheinlich mehr verzweifelte Menschen, als er in seinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen hatte. Ein Missionar von niedrigerem Rang hätte angesichts dieser Aufgabe wohl unter furchtbarem spirituellen Lampenfieber gelitten, aber nicht er. Es war soweit. Zeit, loszulegen. »Ich bin Prediger Gottfried Zorn von der Mission der Heiligen Laudatia und möchte mich furchtbar gern mit Ihnen über etwas unterhalten, das Ihr Leben, ach, oder Ihren Tod, äh, hier unten sehr viel angenehmer machen könnte.«
Der Ex-Priester Ölyg der Dritte stellte in freudiger Erregung die Ohren auf, begann aber zugleich zu bezweifeln, was er gehört hatte. Es konnte doch unmöglich noch ein Geistlicher hier unten sein? Er wirbelte mit klopfendem Herzen auf den Sandalen herum. Er sehnte sich zwar verzweifelt nach Gesellschaft, die in Sachen Theologie nicht völlig unwissend war, stellte sich aber innerlich auf die Enttäuschung ein, die unweigerlich kommen würde.
Die Dämonen am Tor der Grube der glühenden Kohlen knurrten und setzten sich in Bewegung. Auf dem Hüttendach zuckte Zorn nervös zusammen. Teufel! Hier war man wirklich ganz unten. »Äh … Selbst Sie können davon profitieren«, fügte er achselzuckend hinzu. »Nehme ich zumindest an.«
Ölyg musterte den Mann in der Soutane mit sperrangelweit offenem Mund. Er sah so aus, er klang richtig … Aber durfte er glauben, daß es wahr war?
Zorn wedelte mit der uralten und völlig nutzlosen Geste eines Menschen, dem viel zu warm ist, mit einer Hand vor seinem Gesicht herum. »Bißchen stickig hier unten, findet ihr nicht auch? Jedenfalls habe ich eine wirklich Frohe Botschaft für alle. Ich stehe hier vor euch mit der Antwort auf Ihre Träume.« Er zog einen großen, schaumgekrönten Becher aus der Tasche und nahm einen großen Schluck.
»Jawohl, heute ist euer Glückstag. Denn ich bin der Gesandte Syffels, der kommandierenden Gottheit sämtlicher Biere.« Seine Ankündigung erntete gemischte Reaktionen. Als die Dämonen das Wort ›Gottheit‹ hörten, schrien sie auf und begannen, sich zu Zorn durchzukämpfen. Als die Seelenmenge das Wort ›Bier‹ hörte, schrie sie auf und begann sich interessanterweise ebenso zu Zorn durchzukämpfen. Und der Ex-Priester Ölyg der Dritte war vor Schreck wie gelähmt, als er das Wort ›Gesandter‹ hörte. Es war wirklich wahr!
»Ich bitte euch!« rief Zorn fröhlich und hob in apostolischer Frömmigkeit die Hände. »Ihr braucht nicht zu drängeln. Es ist genug Frohe Botschaft für alle da. Seid einfach geduldig und hört zu, während ich euch erkläre …«
Und so begann er eine Predigt, in der er die Vorteile des wahren Glaubens an Syffel darlegte. Dank des Bierkrugs in seiner Hand hatte er die Menge vollkommen gefesselt, regelrecht hypnotisiert.
»Und? Was glaubst du, bedeutet es?« quengelte Nabob schon wieder, als er und Schoysal sich einen Weg durch die überfüllten Straßen bahnten.
»Laß mich mal machen«, bellte Schoysal, der das Päckchen geheimnistuerisch in seiner Tunika versteckt hielt. Er mußte regelmäßig die Klauen wechseln, da die Kälte durch das Pergament sickerte. Die Stalagmotte Kiesela trabte fidel hinter ihm her. Sie schien die Seelenmassen gar nicht zu bemerken, auf denen sie mit ihren flinken Beinen herumtrampelte.
»Du mußt doch irgendeine Ahnung haben«, drängte Nabob, als er sich mit den Ellbogen durch die Menge kämpfte, in der er bis an die Achseln steckte.
»Keine bestimmte«, murmelte Schoysal unverbindlich. Genau genommen log er. Schoysal hatte eine Ahnung:
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