Das göttliche Dutzend
wertvoller Vasen in der Regel schon wußten, was sie bekamen, weil sie die Postvorhersage im Spiegleyn Spiegleyn lasen und einfach die Tür offen ließen. Obwohl viele Axoloten dies vermuteten, hatte sich bisher noch niemand getraut, auch nur geringfügig Wertvolles ohne Hermelyns Glaubenssiegel zu verschicken. Es half wahrscheinlich auch, daß er im Postamt arbeitete.
Heute morgen aber hatte er frei und genoß seinen Tanz vor dem dankbar gutgelaunten Publikum. Er schüttelte seine Schildkröte und spritzte parfümiertes Öl auf das Gestein – und gelegentlich auch auf Zuschauer, die ihm in die Schußbahn kamen.
Wie vorhergesagt (achtzehn nach Sonnenaufgang) erwachte im Süden eine sanfte Brise, gähnte und machte sich an die Arbeit. Einige Zuschauer deuteten aufgeregt auf das Schiff, und das beeindruckte Keuchen war nicht zu überhören, als die Segel der Witzelnden Wellhornschnecke zuckten und sich langsam blähten.
Davon ermutigt und ziemlich überrascht, schlug Hermelyn einen doppelten Salto, fügte aus Spaß noch einen spontanen Salto rückwärts hinzu und legte sich doppelt ins Zeug. Ein gleichmäßiger Strom flehentlicher Beschwörungen wirbelte unsichtbar nach oben, spülte durch den Äther und fand eine bestimmte Gottheit.
Klabautha, der Obergott für Schiffe und dergleichen, schnaufte irritiert, als ein elektrischer Fürbitterblitz durch sein Fenster sauste und respektlos in seine Nase einschlug. Er hustete, drosch verschlafen auf die kitzelnde Nase ein und rollte sich unsportlich von der ausladenden Wolke mit der farblich abgestimmter Kissen- und Oberbettgarnitur. Der Boden traf ihn mitten ins Gesicht.
Ein Dutzend glaubensbekennender Schildkrötenpanzergebete schossen sein linkes Nasenloch empor. Es zuckte und kribbelte, als hätten ein paar hundert Ameisen urplötzlich entschieden, sich eine Ameisensäureschlacht zu liefern. Natürlich mußte er niesen. Er putzte seine Nase mißmutig am Ärmel seines Kürbisschlafanzugs ab und wich schnaubend einem Schwarm Fürbitten aus.
»Schon gut, es reicht! Ich weiß, wenn mein Typ verlangt wird. Ein alter Gott ist doch kein D-Zug«, murrte er und stand ungelenk auf. Drei vereinzelte Gebete schwebten über der Fensterbank und überlegten, ob sie handeln sollten oder nicht. Sie entschieden sich einstimmig abzuwarten, wie die Dinge sich entwickelten.
Offengestanden haßte Klabautha frühmorgendliche Auftritte. Insbesondere nach langen Nächten in Manna Ambrosias Restaurant, wo sie den neuen Göttern an der Hohen Tafel zum Wohl getrunken hatten. Er kratzte sich am Kinn und überlegte, wie viele Flaschen von Lyblichs feinstem Tropfen er selbst wohl vernichtet hatte. Erinnern konnte er sich an zwölf. Danach war alles etwas verschwommen.
Die Gebete entschieden sich, endlich ihren Zweck zu erfüllen und bombardierten seine Nase.
»Hach! Keine ruhige Minute«, grollte Klabautha. Er nahm seinen Dreispitz, ging zur Tür hinaus und verschwand in einem grell glitzernden, fröhlichen Lichtblitz, der seinen unheilig empfindlichen Kopf schmerzen ließ.
Unten am Ufer des Appscheusees wurde die Menge immer aufgeregter. Die Brise aus Süden hatte gleichmäßige zwölf Knoten erreicht, und die Witzelnde Wellhornschnecke zerrte an den Tauen, die sie sicher an den Steg banden. Die Taue knarrten, die Spannung stieg, und Hermelyn verschwamm zusehends zu einem bunten Farbtupfer.
Ghorch Voggs Gesicht war ein Bild stolzer Vaterschaft – gemischt mit hohem Lampenfieber. Alle Zeichen und Omen sahen bemerkenswert vielversprechend aus. Guter Wind, gutes Publikum, hervorragendes Schiff. Und schon bald würde der große Augenblick kommen, an dem endlich nach monatelangem Warten und jahrelanger aufwendiger Konstruktion die Witzelnde Wellhornschnecke aufs offene Wasser hinaus segeln würde.
Plötzlich erschien in einem glitzernden Lichtblitz ein leicht überdurchschnittlich großer Mann mit einem Dreispitz auf dem Kopf und einem kurzen, weißen Bart, der so gestutzt war, wie Kapitäne und andere Seeleute ihn in der ganzen bekannten Welt gern trugen. Seltsamerweise trug er zur Belustigung der Menge außerdem einen Schlafanzug mit Kürbismuster.
»Ahoi, alle zusammen. Eine Seefahrt, die ist lustig und der ganze Mist«, nuschelte er und gähnte ausgiebig. Er schaute sich enttäuscht nach den Jungs mit den ohrenbetäubend schrillen Pfeifen um, die, aus Gründen, die Landratten grundsätzlich verschlossen blieben, bei derlei Anlässen immer auftauchten und jeder Unterhaltung mit drei
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